domingo, 5 de junio de 2011

Zwei Währungen und eine Reihe von Problemen

GANZ OHNE GELD lässt sich wohl heute an keinem Ort der Erde, der irgendwann einmal mit der westlichen Zivilisation und Kultur in Kontakt gekommen ist, leben. Irgendeine Währung, und wenn sie auch noch so schwach ist, spielt immer eine Rolle im Alltag. Wenn die Menschen zu wenig davon haben, wird das Geld, oder seine Abwesenheit, zum Problem. Und wenn die Menschen zuviel davon haben, kann das Geld genauso zum Problem, zur Sucht werden.

 

Die Situation mit dem Geld ist auf Cuba eine besondere. Und so ganz bin ich noch nicht aufgeklärt, was das Thema auf dieser Karibikinsel betrifft. Dabei gibt es hier offenbar mehrere Probleme finanzieller/monetärer Herkunft.

 

Es gibt auf Cuba zwei Währungen. Da ist zum Einen der Peso Cubano, auch moneda nacional (»nationale Währung) oder CUP gennant, und zum Anderen der Peso Cubano Convertible, kurz: CUC oder umgangssprachlich »chavito«.

 

Der CUC wurde vor ein paar Jahren eingeführt, um den US-Dollar von der Insel zu verdrängen. Die beiden Währungen sind exakt gleich viel wert, doch das hilft dem Besitzer der US-amerikanischen Währung nicht weiter: Wer sie tauscht, muss Strafgebühren bezahlen, die den Dollar auf der Insel quasi wertlos machen. Den Euro kann man hingegen problemlos eintauschen zum offiziellen Wechselkurs. Das bedeutet derzeit rund einen Peso Cubano Convertible und vierzig Centavos für einen Euro. Festgeschrieben ist der Wert der moneda nacional im Vergleich zum CUC: Für einen »chavito« erhält man vierundzwanzig Pesos. (Also für einen Euro zur Zeit etwas mehr als dreiunddreißig Pesos.)

 

Wer es sich einfach macht, sagt, dass der CUC die Währung für Touristen sei, der Peso das Geld der Kubanerinnen und Kubaner. Doch so ganz stimmt das nicht: Zwar wird allen Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern auf der Insel ihr Gehalt in moneda nacional ausgezahlt – doch sie können längst nicht alles mit dieser Währung kaufen. Umgekehrt können Touristinnen und Touristen sehr wohl CUC gegen Pesos eintauschen und dann in entsprechenden Läden auch mit dieser billigen Währung einkaufen.

 

Die Löhne auf der Insel sind von eher symbolischem Wert. Ein Taxifahrer verdient zum Beispiel etwa rund zweihundert Pesos im Monat – der Fahrpreis vom Flughafen in die Stadt ist mit fünfundzwanzig CUC festgeschrieben, was also drei Monatsgehältern entspricht: Die gehen allerdings an den Staat. Viele taxistas verlangen daher ein paar CUC mehr, um auch in die eigene Tasche zu wirtschaften. Oder hoffen auf ein Trinkgeld, um nicht Gefahr zu laufen, wegen des erhöhten Fahrpreises ihren Job zu verlieren.

 

Weil der kubanische Staat ernsthafte finanzielle Probleme hat, ist es inzwischen nicht mehr möglich, dass er alle Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer auf der Insel – die ja immer Staatsangestellte sind – zu bezahlen. Das hat zu zwei mir bekannten Reformen geführt: Einerseits wurden gesetzliche Schranken beseitigt, die private Geschäfte verboten. Es ist inzwischen erlaubt, bestimmte Arten von Handel zu betreiben, und das ganz ausdrücklich und legal privat. So sind in der jüngsten Vergangenheit unzählige »cafeterías« aus dem Boden geschossen, in denen auch kleine Imbisse verkauft werden. Andererseits hat der Staat bei der Bezahlung seiner Angestellten umdisponiert. Viele Stellen werden nicht mehr vier- oder fünffach besetzt (und bezahlt), sondern nur noch doppelt. Wobei eine Person den Lohn erhält und die andere in Form von Waren bezahlt wird: Die darf sich dann Reis und Bohnen und Rum in Höhe eines bestimmten Wertes liefern lassen. (Und natürlich alle anderen Artikel, die in den staatlichen Märkten zu finden sind.)

 

Die niedrigen Löhne auf Cuba reichen natürlich nicht dazu aus, ein Leben im Überfluss zu führen. Aber ein bisschen Wohlstand, ein wenig Luxus schadet auch dem normalen Kubaner oder der Durchschnittkubanerin nicht. Und so scheint es logisch zu sein, dass sehr viele Leute sehr erpicht darauf sind, irgendwie ein paar CUC zu verdienen – die sind was wert, damit kann man sich etwas leisten.

 

Dieses Konzept scheint für einige Menschen auf Cuba aufzugehen: Man sieht ab und zu auch neue oder zumindest halbwegs zeitgemäße Autos in den Straßen, Armbanduhren nordamerikanischer (oder eher japanischer?) Herkunft, Mobiltelefone und MP3-Player. Wobei es durchaus möglich ist, dass viele dieser Artikel durch Geldsendungen aus Miami oder Spanien finanziert werden.

 

Was bei dieser »Gleichberechtigung« in puncto Armut auffällt, ist, dass extreme Armut kaum zu sehen ist – oder zumindest nicht so auffällt. Weil quasi alle Menschen in vom Einsturz bedrohten Kolonialbauten leben, zum Beispiel. (Jedenfalls in den Straßen Havannas, die ich bisher gesehen habe.) Weil scheinbar niemand in Lumpen und ungewaschen herumläuft, aber auch nicht in Designerklamotten. (Bisher weiß ich jedoch nicht, wie das Leben auf dem Land aussieht, und wie beispielsweise wichtige Politkerinnen und Politker leben. Möglicherweise gesellen sich im Laufe der Zeit ein paar Beobachtungen, die für extreme Armut und Ungleichheit sprechen, zu meinen ersten Eindrücken.)

 

Doch trotz der necesidades, Bedürfnisse, von denen die Menschen hier gerne sprechen, um nicht »Armut« sagen zu müssen – wäre das regimekritisch? – wird immer wieder betont und kann ich immer wieder erleben, wie herzlich und [scheinbar] unbeschwert viele hier durchs Leben gehen. Jugendliche treffen sich auf der Straße und spielen Volleyball oder Fußball. Teenager flirten exzessiv und vergessen offensichtlich alles, was um sie herum geschieht. Männer spielen Domino oder Schach oder trinken einen Rum. Und alle scheinen Zigarren zu rauchen. Als Weißer werde ich unzählige Male angesprochen – oft geht es um Zigarren, die ich bitte kaufen möge oder einen Rum, den ich doch bitte bezahlen solle. Regelmäßig werde entweder von Mädchen gefragt, ob ich denn auf der Suche nach einer Freundin sei oder bekomme von Männern das Angebot, eine oder mehrere weibliche Bekannte kennenzulernen: Dabei handelt es sich immer um Frauen, die – selbstverständlich! –kein Geld für Sex haben wollten und äußerst intelligent und gebildet seien. Aber meistens wollen die Leute wissen, woher ich komme, was ich hier mache und wie mir Cuba und Havanna gefielen. Nicht selten entwickeln sich daraus interessante Gespräche – ein großer Unterschied zum Leben mit oftmals viel verschlosseneren Ecuadorianerinnen und Ecuadorianern, und eine angenehme Abwechslung!

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