miércoles, 20 de octubre de 2010

Besuch aus Gringolandia

WÄHREND DIE MÄUSE mein Zimmer auseinandernehmen und das Zeitungspapier, das verhindern soll, dass Wind und Feuchtigkeit durch die Ritzen zwischen den Brettern, die die Wände bilden, eindringen, auffressen, warte ich darauf, dass sich mein Husten verflüchtigt – wobei ich mich auch nicht so schone, wie ich das vielleicht tun sollte: Am Wochenende habe ich Íntag wieder einmal den Rücken zugekehrt, um das bescheidene Nachtleben Otavalos zu genießen, und seit Sonntag ist eine Gruppe von gringos hier, die ich nach Möglichkeit begleite.

Es handelt sich um eine dreizehnköpfige Gruppe der Organisation »Carpe Diem«. »Carpe Diem« bietet Reisen in Länder wie Nicaragua, Ecuador, Tansania, Thailand etc. an – die Gruppe, die jetzt in Pucará ist, wird Ecuador am Freitag nach sechs Wochen verlassen, um weitere sechs Wochen in Peru zu verweilen. Das Programm bewegt sich, soweit ich das bisher in Erfahrung bringen konnte, zwischen Sprachschule, Sightseeing und Feldarbeit. Es geht, so ließ man mich wissen, darum, einmalige und unbezahlbare Erfahrungen zu sammeln. Wobei der Kostenpunkt ziemlich deutlich und nah dran an unbezahlbar ist: Stolze achttausend Dollar bezahlen die jungen Leute für drei Monate Ferienprogramm. (Wobei man meine Frage, ob das eine Beschäftigung für die Ferien sei, ganz klar verneint hat: Es handele sich nicht um Ferien, sondern um Erfahrungen!) Vermutlich kosten die neun Monate, die ich in Pucará bin, weniger – obwohl der Flug von den Staaten nach Ecuador und Peru deutlich günstiger ausfallen dürfte...

Zurück zu den gringos: Am Montag fuhren wir, gemeinsam mit einigen pucareños, in den Gemeindewald. Der liegt ein paar Kilometer nordöstlich des Dorfes und ist dessen Lebensversicherung – von dort kommt das Wasser, das in Pucará aus der Leitung kommt. Um die Wasserversorgung sicherzustellen, ist es dringend notwendig, dass der Bereich des Gemeindewaldes nicht dem Kahlschlag zum Opfer fällt: Ohne Bäume, die das Wasser im Erdreich binden, kein Wasser! Unsere Aufgabe war dementsprechend die Wiederaufforstung. Ob das Sinn machen würde, fragten sich nicht wenige beim Anblick des durchaus dicht bewachsenen Hügels – nach Peters Auskunft tut es das: Auch bereits bewaldetem Gelände könnten ein paar Bäume mehr nicht schaden, da auch sie Wasser bänden und Wasserversorgungsengpässen (wie kürzlich beschrieben) vorbeugten.

Wir stiegen also, mit Schaufeln und Setzlingen in Plastiktüten bepackt, den Berg hinauf, in immer dichteres Dickicht, um unsere kostbare Last zu vergraben. Insgesamt liefen wir vermutlich mehr als dass wir arbeiteten, und zumindest der Trupp, mit dem ich ging, brachte nicht so viele Bäume ins Erdreich – insgesamt konnten wir aber immerhin rund fünfhundert Setzlinge einpflanzen.

Mit der Wiederaufforstung hatte auch die Aufgabe zu tun, der sich die Gruppe am Dienstag gewidmet hat, dieses Mal ohne mich: Sie folgten dem kleinen Pfad zum Fluss unterhalb Pucarás, um von dort nach Apuela zu laufen. Auf dem Weg sammelten sie kleine Bäumchen am Wegrand ein, um sie nach Pucará zu bringen, wo die Setzlinge in die besagten schwarzen Plastiktüten eingepackt werden, um weiterzuwachsen, bevor sie in nicht allzuferner Zukunft der Wiederaufforstung Íntags dienen werden!

Die Plastiktüten... Der Ecuadorianer an sich scheint ein großer Freund dieser Errungenschaft unserer Wegwerfgesellschaft zu sein. Angeblich verbraucht jede Ecuadorianerin und jeder Ecuadorianer acht Plastiktüten am Tag! Die wenigsten davon kommen vermutlich in der Wiederaufforstung zum Einsatz: Auch wenn ich ein Brötchen kaufe oder eine Banane oder eine Packung Kekse, wird mir in der Regel eine Plastiktüte für den komfortablen Transport angeboten. Essen, das am Straßenrand verkauft wird, erhält man normalerweise in kleinen, gelben Plastiktütchen oder silbernen Plastikschalen. Und all dieses Plastik endet dann am Straßenrand oder auf einem Feld oder in einem Bach. Es schadet ja keinem... Aber so widersprüchlich wie im Gemeindewald hatte ich die Situation bis dato noch nicht wahrgenommen: Einerseits ist man sich irgendwie dessen bewusst, dass uns die Natur nicht endlos versorgt, wenn wir uns nicht um sie kümmern oder sie zumindest schonen – und pflanzt Bäume, um die Wasserversorgung zu sichern. Anderseits hinterlässt man selbst im dichtesten Gestrüpp eine Plastiktüte nach der anderen – und jede einzelne dieser Plastiktüten wird über kurz oder lang ihre kleinen Spuren im Trinkwasser hinterlassen!

Es wird sicherlich noch eine Weile dauern, bis sich in dieser Hinsicht etwas ändert. Zu tief sitzt der Glaube, dass Plastik ausschließlich gut ist: Der Rauch, der entsteht, wenn man Plastikmüll verbrennt, ist sicherlich nicht giftig! Plastik ist so stabil, dass es in der Natur keinen Schaden anrichten kann, weil es sich nicht zersetzt. Die Coca Cola Company hilft aber auch kräftig mit und liefert ihre Getränke am allerliebsten in Einwegplastikflaschen. Auf denen steht dann: »Mit dieser Verpackung machen wir Ecuador noch ein bisschen besser!« Und daneben: »Einwegflasche« Humor haben die Damen und Herren bei dieser kleinen und sympathischen Firma offensichtlich! Und Recht: Wie öde wäre der Nebelwald ohne diese bunten Plastikwimpel, die an den Bäumen und Sträuchern am Straßenrand hängen!?

Wäre das Plastik in meinem Zimmerchen zum Einsatz gekommen, zur Abdichtung der Holzwände – ich wäre so dankbar, weil die Mäuse daran sicherlich nicht so viel Interesse zeigen würden! Stattdessen riecht meine Wäsche ab und zu nach den Plastikdämpfen, wenn ich sie abhänge...

Bis Íntag tot ist, dürften aber noch einige Jahre ins Land ziehen. Noch wimmelt es hier von Kolibris, meinen Lieblingsvögeln: den horeros, die angeblich zu jeder vollen Stunde singen und dabei klingen wie durchdrehende Babies – und von Jaguarundis: Ich habe nachgeschaut, welches Tier mir da vor kurzem über den Weg gelaufen ist. Es war der hier, also kein Wickelbär. Aber danke für die Recherche, Andy!

miércoles, 13 de octubre de 2010

Im Krankheitsfall

JEDES MAL, WENN ich krank bin, schlägt sich das auch auf meine Stimmung nieder. Im Augenblick bin ich wieder am Kränkeln; es ist nichts Schlimmes, vielleicht eine Grippe oder so. Und ich bin genervt: Weil ich weiß, dass ich sicherlich kerngesund wäre, wenn ich hier nur halbwegs ordentlich essen würde – und nicht Reis und Kartoffen tagein, tagaus. Da bleibt mir ja nichts Anderes übrig, als über Kurz oder Lang krank zu werden! Was ich auch weiß: Dass ich über diesen Gedanken nur müde lächeln können werde, wenn ich wieder fit bin. Hätte ich letzten Samstag nicht so lange mit anderen Freiwilligen in der Kälte gesessen und Schnaps getrunken, ginge es mir jetzt vielleicht besser. Aber: Ich war davor schon angeschlagen. (Was das Ganze nicht besser macht.)

Gestern war ich wieder bei Doña Empera zu Gast, um endlich die seit langem versprochenen Kartoffelpuffer zu brutzeln. Ich habe mir vorgenommen, in jeder Familie einmal zu kochen – das klingt zwar wenig, aber das Kochen hier ist gar nicht so einfach: Was nicht an den Zutaten, die hier nicht unbedingt zu bekommen sind, scheitert, muss noch irgendwie in den interessant ausgestatteten Küchen improvisiert werden! Also: Kartoffelpuffer für den Anfang. Doña Empera hat zunächst interessiert zugeschaut und ein paar Äpfel für das Apfelmus geschält, bevor sie zu Mittag gegessen hat. Das irritierte mich erst, doch dann war ich erleichtert: Ein Essen ohne Reis ist (hier) keine echte Mahlzeit; das werde ich nicht aus den Köpfen Pucarás verbannen können. Und nach ihrem ersten Mittagessen hatte Doña Empera sozusagen die Bürde von mir genommen, ihr und Don Manuel ein vollwertiges Mittagessen zuzubereiten. Mein Nachtisch hat die beiden offenbar sehr zufriedengestellt – was Vicente davon hielt, weiß ich nicht, weil der erst später kam.

Aber ganz zufrieden kann ich mit dem Essen nicht sein: Als ich neulich in Otavalo war, habe ich die Äpfel für das Apfelmus eingekauft, weil ich mich nicht auf den Markt von Apuela verlassen wollte. Als ich die Äpfel gestern ausgepackt habe, musste ich mit Entsetzen feststellen, dass sie von der Dole Company waren. Dieses freundliche Unternehmen besitzt in Nicaragua große Bananenplantagen, auf denen lange mit Nemagon gedüngt wurde. An Nemagon erkrankten viele der Arbeiterinnen und Arbeiter, Kinder kamen behindert zur Welt, Männer wurden zeugungsunfähig. Dole wurde von einem US-amerikanischen Anwalt lateinamerikanischen Ursprungs verklagt – und zur Kasse gebeten. Die Freude über den Erfolg währte jedoch nur kurz: Die Obstgiganten schafften es, dem Anwalt erfolgreich die Fälschung von Beweismitteln zu unterstellen. Und inzwischen ist es in den Vereinigten Staaten von Amerika verboten, dass Männer und Frauen, die weder die US-amerikanische Staatsbürgerschaft innehaben noch in den USA leben, Anklage gegen Personen oder Unternehmen aus den USA erheben. So weit der kleine Dole-Exkurs. (Das Apfelmus war trotzdem lecker...)

Was mach an das Kinderbuch »Wo die wilden Kerle wohnen« erinnert, das mit dem schönen Teilsatz »... und es war noch warm.« endet: Das gibt es seit neuestem auch in Apuela (»Donde viven los monstruos«), sodass ich mir dachte, dass es vielleicht auch den Kindern in Pucará gefallen könnte. In Ecuador werden zwar auch Kinderbücher verfasst, illustriert und bedruckt, aber sie weisen eine ganz andere – inhaltliche und gestalterische – Ästhetik auf, erinnern eher an Zeichentrick- und Kinderfernsehsender als an Kinderbücher. Da ist oft alles schrill und grell und knallig und irgendwie laut. Und die Kindern hören nicht zu, wenn man ihnen diese Bücher vorliest. Anders bei den wilden Kerlen: Die haben ihnen offensichtlich gefallen und sie auch, zumindest für die Dauer der Geschichte, beruhigt!

miércoles, 6 de octubre de 2010

WAR DAS SCHÖN, als sich am Sonntagabend ein Moment der Zufriedenheit einstellte: Bisher war ich immer etwas beunruhigt und nicht ganz zufrieden gewesen, weil ich von meinen Aufgaben in Pucará nicht so ganz überzeugt war. Woher genau diese Zufriedenheit nun genau kam, kann ich gar nicht erklären.

Lag es an dem ereignisreichen Wochenende? Ich war am Donnerstag nach Otavalo gefahren, um dort zu entscheiden, dass ich am Freitag nicht nach Quito reisen würde: Wegen einer Kunstausstellung wollte ich mich nicht in die Hauptstadt wagen, die am Tag zuvor von einem versuchten Staatsstreich und Feuergefechten zwischen Polizei und Militär heimgesucht worden war. Infolgedessen blieb ich in Otavalo, wo wir den Geburtstag einer anderen Freiwilligen feierten und einen mindestens genauso langen wie netten Abend verbrachten. Am Samstag fuhr ich nach Pucará zurück, wo die nächste Feier anstand: Peter verabschiedete seinen britischen Freund Stuart, der Ecuador nach achteinhalb Jahren verlassen und mit seiner Freundin nach Spanien ziehen wird – wohin, das wissen die beiden noch nicht. Wozu auch? Als sie vor achteinhalb Jahren als Backpacker nach Ecuador kamen, wussten sie auch weder dass noch wo sie so lange hier leben und arbeiten würden! Die Feier bei Peter war sehr nett, und für mich war es ein fast neues Gefühl, in Pucará zu sein und trotzdem gute und lange und abwechslungsreiche Gespräche zu führen. Am Sonntag fuhren die Bekannten Peters wieder nach Cayambe und Quito zurück – und uns bot sich ein wunderschöner Sonnenuntergang: Es war das erste Mal seit meiner Ankunft in Pucará nicht schon vor dem Sonneuntergang bewölkt, nur unterhalb des Gipfels des Cotacachi waren schon einige Nebelschwaden aufgestiegen. Doch die machten den Anblick noch spektakulärer: Die Hügel und Täler um Pucará waren schon in den Schatten der beginnenden Nacht getaucht, als im Westen der Himmel und im Osten der schneebedeckte Cotacachi über den Nebelschwaden golden leuchteten! (Dass ich meine Kamera ausnahmsweise nicht einstecken hatte, ist nur halb so wild: So schön wie der Sonnenuntergang tatsächlich war, hätte er auf einem Foto nicht aussehen können...) Auf dem Rückweg von Peters Finca, es war inzwischen dunkel, stellte sich das eingangs erwähnte Gefühl ein.

Am Sonntag schlief ich dann erstmals in meiner neuen Gastfamilie: Ich lebe jetzt bei Doña Teresa und ihrem Mann, Don Segundo. Sie ist fünfundsechzig Jahre alt, er siebzig. Die beiden leben vielleicht zweihundert Meter von meiner alten Gastfamilie entfernt: Pucará ist nicht groß. Von ihren fünf Töchtern lebt nur noch eine in Pucará: Esperanza, mit ihren drei Töchtern und zwei Söhnen, aber ohne die dazugehörigen fünf Väter. Die sieben Söhne von Teresa und Segundo leben alle außerhalb. Doch dass ich mit den beiden Herrschaften alleine bin, kommt fast nicht vor: Die meiste Zeit sind Shisela, Fernanda und Andrés im Haus, die drei jüngeren Kinder von Esperanza. Die drei sind auch für mich eine gute Unterhaltung. Shisela ist neun Jahre alt und geht in die fünfte Klasse der Grundschule in Pucará. Sie ist sehr aufgeweckt und quasi rund um die Uhr daran interessiert, dass ich ihr eine Geschichte vorlese. Fernanda, vier Jahre alt, und Andrés, der jüngste, hängen meistens an Shiselas Fersen und trauen sich nicht so recht, mit mir zu sprechen. (Und dass Fernanda von Doña Teresa immer gesagt bekommt, was sie mir antworten oder erzählen soll, finde ich etwas nervig: Da ziehe ich Schüchternheit dem Nachplappern vor...)

Witzig ist irgendwie, dass ich jetzt zwar problemlos in der Küche stehen kann, mich dafür sowohl im Bad als auch in meinem Zimmer, einem Bretterverschlag hinter dem Haupthaus, nur gebückt fortbewege. Ansonsten hat mein neues Zuhause viele Ähnlichkeiten mit dem vorherigen: Es gibt wieder mehrere Gebäude, von denen jedes ein Aufgabenfeld aufnimmt – die Hütte mit Küche und Esszimmer, das Haupthaus mit Schlafzimmer (und, wichtig, Fernseher) und meinem Verschlag im Anhang, und das Bad, eher eine Latrine mit Dusche. Dazwischen liegt ein kleiner Hof, eine staubige Fläche, über der die Wäscheleinen nächtliche Spaziergänge ziemlich gefährlich werden lassen.

Aus der Welt der Arbeit gibt es auch kleine Neuigkeiten. Gegen Ende des Monats wird eine Gruppe aus den Vereinigten Staaten nach Pucará kommen; ihre Aufgabe: Wiederaufforstung. Drei Tage werden sie in Familien in Pucará untergebracht sein, bevor sie, von Peter und mir begleitet, die Íntag-Region besser kennenlernen werden. Im Anschluss wird es einen kleinen Kurs für die Lehrerinnen der Spanischschule geben: Polly, eine Bekannte von Peter, mit der ich bei Stuarts Abschiedsfeier ins Gespräch kam, wird ihnen das Lehren lehren – eine für Lehrerinnen nicht ganz unwichtige Fähigkeit!

Ansonsten bin ich gespannt, auf welche Tiere ich in den nächsten Tagen stoßen werde: Am Sonntag ringelte vor mir eine Schlange über den Weg. Meine Recherche hat ergeben, dass es eine Korallenotter gewesen sein müsste – schwarz mit roten und gelben Streifen (oder Ringeln?) und etwas mehr als einen Meter lang. Am Montag folgte der nächste Exot, den ich allerdings nicht benennen kann: Ein braunes Tier, das sehr nach Katze aussah, jedoch größer war und einen ziemlich langen Schwanz hatte. Man hat mir den Namen zwar verraten, ich konnte jedoch keine Übersetzung finden. Tierfreunde und -kenner: Ich würde mich über eure Hilfe freuen!

Euch allen wünsche ich einen schönen Herbst – die Angaben zu dessen Beginn sind irgendwie widersprüchlich: Mal heißt es, dass er bereits Einzug erhalten habe, mal hören sich die Berichte noch sehr nach Sommer an. Hier regnet es immer öfter, aber stets erst am Nachmittag. Dennoch gab es am Dienstag erstmals kein Wasser aus der Leitung in Pucará – was in Apuela schon seit Wochen stattfindet, scheint nun auch hier zu beginnen. Warum das ausgerechnet jetzt, da es regnet, losgeht, kann ich nicht ganz nachvollziehen. Doch das Periódico ÍNTAG wird im November darüber berichten...