lunes, 30 de agosto de 2010

Into the Wild

AUS FEHLERN LERNE man, heißt es so oft. Ich glaube momentan nicht so ganz an diese Weisheit – weil ich an mir beobachten kann, dass dem nicht unbedingt so ist! Doch dazu nur kurz: Nachdem ich in Nicaragua stolze acht (oder zehn?) Kilo zugenommen hatte, habe ich mich von Chrissie zu einer Wette hinreißen lassen, die das Gewicht beziehungsweise dessen (also meine!) Zunahme betrifft. Blöd daran: Dass ich sicherlich keine Diät einlegen werde und die Wette somit bestimmt verliere...

Inzwischen lebe ich in Pucará. Dieses Dorf liegt knapp fünfzig Kilometer und somit beinahe drei Stunden westlich von Otavalo, auf etwa zweitausend y pico Metern über Normalnull. Die Angaben zur Einwohnerzahl variieren: Ich habe inzwischen Zahlen von fünfzig bis dreihundert gehört und gelesen. Fest steht auf jeden Fall, dass hier nicht viel los ist! Lohnarbeit gibt es – abgesehen von den zwei Lädchen und Gelegenheitsjobs – nicht, und auch sonst scheint es nicht viel Beschäftigung zu geben. Wer nicht auf dem Feld arbeitet oder Erbsen aus den Hülsen pult oder kocht oder einen Zaun repariert, macht eben nichts. Die Menschen hier haben Zeit: Gespräche ziehen sich oft in die Länge, auch wenn es nichts zu besprechen gibt – die Pausen dauern eben so lange!

Die Elektrizität habe Pucará vor rund vierzehn Jahren erreicht, sagte man mir. Seitdem gibt es immerhin elektrisches Licht. (Und Fernseher und Radios.) Die Straße, auf der der Bus von Otavalo kommend, also bergab fahrend, für die knapp fünfzig Kilometer nach Apuela beinahe drei Stunden benötigt, existiert auch erst seit rund zwanzig Jahren: Davor verband lediglich ein Trampelpfad, der breit genug war für schwer bepackte Pferde, die Intag-Region mit der Außenwelt. Am längsten gibt es fließend Wasser, wenn ich den Informationen, die ich von meiner Gastmutter bekommen habe, Vertrauen schenken kann.

Am ersten Abend, donnerstags, habe ich mit ein paar Jugendlichen Backsteine für einen Unterstand von einem Laster abgeladen. Danach, auf dem kurzen Weg zum Haus, wurde ich von ein paar Herren gerufen: Ich solle mich doch zu ihnen setzen. Gesagt – getan. Ich habe ihnen beim Erbsenschälen geholfen und dafür ein selbstgebranntes Destillat gereicht bekommen. Das war zwar nicht ganz nach meinem Geschmack, aber solche Einladungen kann und sollte man nicht ablehnen, wenn man nicht gleich als unhöflich und abweisend in Verruf geraten möchte.

Am zweiten Tag bin ich nach Apuela spaziert. Das ist das nächste Dorf, zu Fuß in ziemlich genau einer Stunde zu erreichen, und der Treff- und Sammelpunkt für die Region, in der ich nun lebe: Apuela besteht zwar nur aus einigen wenigen Häusern und hat vielleicht ein paar hundert Einwohner, möglicherweise sogar tausend. Aber der Ort ist nicht nur Sitz einiger Nichtregierungs- und Umweltschutzorganisationen, sondern auch sonntäglicher Marktplatz. Jeden Sonntag treffen dort die Menschen aus der Gegend ein, um die Dinge einzukaufen, die sie nicht selbst anbauen oder herstellen können. Für mich stellt Apuela auch die einzige schnell erreichbare Möglichkeit, Kontakt zur Außenwelt herzustellen, dar: Hier gibt es im Gegensatz zu Pucará Internet...

Am Samstag spazierte ich im Dunkeln in die andere Richtung: In Santa Rosa fanden die Miss-Wahlen statt. Im Bus hatte sich die Strecke von Santa Rosa nach Pucará sehr kurz angefühlt, zu Fuß war ich dann aber doch mehr als eine Stunde unterwegs. Ohne Straßenbeleuchtung. Ohne Orientierung. Nicht sicher, ob ich auf dem richtigen Weg war – dabei gibt es nur eine Straße, die teilweise gepflastert, meistens aber aus Sand und viel, viel Staub ist. Ohne zu wissen, wie viele Minuten oder Stunden ich noch laufen müsste. Aber ich hatte einem Mitarbeiter einer Nichtregierungsorganisation in Apuela versprochen, vorbeizukommen! Schließlich kam ich also an, die fiesta hatte noch nicht begonnen, und traf sogar eine Kollegin in Santa Rosa: Nora. Sie ist auch mit YAP in Ecuador und arbeitet in Apuela. Die elecciones de la reina waren amüsant – vier Kandidatinnen standen zur Wahl, tanzten und beantworteten Fragen. (¿Cuál persona es la que más admira? – ¡A Dios y a mis padres!) Der Abend wurde länger, meine Favoritin zur neuen reina erkoren, die Bierflaschen in rasendem Tempo herumgereicht: Hier teilt man. Alles. Zigaretten wandern im Kreis, und ebenso das Bier oder was man sonst so anzubieten hat. Glücklicherweise konnte ich auf einer camioneta nach Pucará fahren, wo ich am Sonntag ziemlich verkatert aufwachte.

Ich traf mich mit Peter Shear, meinem Chef, fuhr mit ihm nach Apuela, sah mir kurz das bunte Treiben an, das wirklich beeindruckend war, weil es die Straßen Apuelas, die ich noch zwei Tage vorher wie tot aufgefunden hatte, belebte, also ob es kein Morgen gäbe. Im Anschluss konnte ich dann endlich die Projekte kennenlernen, die hier im Laufe der Zeit entstanden sind. Dazu aber bald mehr.

Ich bin nun guter Dinge, dass die Monate – neun oder zehn werden es hier sein – gut werden. Nach einem anfänglichen Schrecken – »Mit wem soll ich denn hier reden? Was machen?« – habe ich inzwischen den Eindruck, dass es erstens viele nette und interessante (und meistens ziemlich betagte) Menschen, zu denen ich mich immer gerne setzen kann, um ein bisschen über Gott und die Welt zu sprechen, und zweitens durchaus genügend Arbeit gibt, sodass ich mich über Langeweile nicht beklagen werden muss!

Unübersehbar – und daher nach wenigen Tagen schon wieder fast normal – ist der krasse Gegensatz, den die ländliche Gegend zu Quito darstellt: Dort gab es Fast-Food-Restaurants und Supermärkte, sah ich Joggerinnen und Jogger in Parks und in Anzug und Krawatte gekleidete Geschäftsmänner. Von alledem hier keine Spur. Viele Menschen betteln oder sehen so aus, als ob das ihre nächste Station wäre auf dem Weg nach unten. Quito war, ich habe dafür keinen anderen Ausdruck, sehr europäisch. Jetzt bin ich in der sogenannten Dritten Welt angekommen.

Bald werde ich etwas über meine erste Gastfamilie schreiben. Bis dahin wünsche ich euch alles Gute!
Saludos desde Apuela!

(Jonás, tal vez tengas más suerte la próxima vez! Suerte contra Freiburg!)

miércoles, 25 de agosto de 2010

Einführungsseminar

DIE BAÑOS TERMALES von Chachimbiro, nordöstlich von Ibarra gelegen, boten von Montag bis Mittwoch Platz für knapp zwanzig Freiwillige, die wie ich mit YAP in Ecuador sind.

Am Montag fuhren wir gemeinsam in Otavalo los – auf der Ladefläche eines alten Lasters ging es durch Täler und Serpentinen, über Schlaglöcher und Schotterpisten nach Chachimbiro. Dort sprudeln heiße Quellen aus dem Berg und versorgen die Kuranlage, die im Laufe der letzten Jahre dort entstanden ist, mit dem nötigen Wasser: Planschbecken mit Wassertemperaturen bis über fünfzig Grad Celsius und türkische Bäder laden dort zum Entspannen (und Verbrennen) ein.

Der eigentliche Seminarteil hätte auch an einem einzigen Vormittag stattfinden können: Letzte essenzielle Informationen zur Finanzierung des Freiwilligendienstes standen ebenso auf dem Plan wie Hinweise zu den Besonderheiten der ecuadorianischen Kultur. Stephi und Sophie, zwei ehemalige YAP-Freiwillige, leiteten das Seminar, später kamen noch Stephis Freund Darwin und dessen jüngerer Bruder Oscar dazu – die beiden hatten geschätzte vierunddreißig Instrumente dabei, mit denen in den Abendstunden improvisiert wurde: Von Gassenhauern unserer (nicht selten: Un-)Kultur bis zu regionalen Spezialitäten der hiesigen indianischen Musikszene gab es ziemlich alles. Bei Vollmond, Stromausfall, heißen Quellen und nachtschwarzen gestrüppbewachsenen Steilhängen um uns herum war das durchaus ein Erlebnis!

Bei neunzehn Freiwilligen ist es normal, dass nicht alle miteinander kompatibel waren. Grüppchenbildung und kleinere Unstimmigkeiten standen nicht an der Tagesordnung, aber ebenfalls auf dem Programm. Die gute Stimmung und die Gespräche mit sympathischen und gleichgesinnten Menschen überwiegen jedoch.

Heute, Mittwoch, kamen wir wieder nach Otavalo. Hier stand ein spannendes Treffen an: Ich habe Peter kennengelernt, den Koordinator des Projektes, in dem ich arbeiten werde! Recht viel schlauer als zuvor bin ich zwar noch nicht, aber durchaus positiv und optimistisch gestimmt: Eine »richtige« Einweisung werde ich am Samstag und Sonntag bekommen, vor Ort in Pucará, dem Zweihundertseelendorf, in dem ich leben und arbeiten werde.

Kern der Projekte dort ist die Spanischschule: Ausländer, vermutlich vor allem US-Amerikanerinnen und -Amerikaner, fahren nach Pucará, um ihre Spanischkenntnisse aufzubessern und bekommen die Gelegenheit, ihren Schulbesuch mit der Arbeit in sozialen Projekten zu garnieren. Mit der Spanischschule werde ich hoffentlich wenig zu tun haben: Den Alltag von Sprachschultouristen möchte ich nicht planen. Stattdessen hoffe ich, mich an den praktischeren Arbeiten beteiligen zu können: In der Vergangenheit wurden beispielsweise Häuser gebaut, die aus selbstgebrannten Ziegeln bestehen, über eine Sickergrube und eine Biogasaufbereitungsanlage verfügen und somit weitgehend autark sind und auch weitere Abholzung für die Brennholzgewinnung verhindern. Momentan läuft auch in Pucará ein Wiederaufforstungsprogramm an, das vom Umweltministerium Ecuadors subventioniert wird. Was sonst noch gemacht wird oder werden muss – das werde ich spätestens ab Samstag sehen!

Morgen werde ich nach Pucará fahren und erstmals sehen, wo ich im nächsten Monat wohnen werde. Während ich in Pucará arbeite, werde ich monatlich meine Gastfamilie wechseln, damit nicht eine Familie über den gesamten Zeitraum quasi ein zusätzliches Gehalt hat, sondern einige Familien eine weder unerhebliche noch übertriebene Unterstützung empfangen. Internet werde ich von Pucará aus voraussichtlich wenig bis gar nicht haben – eine Anschrift möglicherweise auch nicht. Dennoch: Mehr Infos folgen bald!

viernes, 20 de agosto de 2010

Noch mehr Quito

EIN PAAR EINDRÜCKE von der Hauptstadt Ecuadors konnte ich die Tage noch sammeln. Gerade komme ich beispielsweise aus dem barrio Guápulo, das sich am östlichen Rand Quitos die steilen Hänge entlang ins Tal zieht. Kleine, bunte Häuser sind dort zu sehen, viele Kneipen und Cafés – man sagt, dass dort sehr viele Ausländer leben, die sich dort ein schönes Leben machen. Der Unterschied zwischen dem Mariscal-Viertel und Guápulo könnte viel größer nicht sein: Hier die großen Avenidas mit Bussen, Taxis und viel Lärm, dort die kleinen, kurvigen Straßen, die sich ins Tal schlängeln und kaum befahren sind. Hier die Hochhäuser, die dichte Bebauung, dort die Häuschen mit Aussicht ins Tal und Garten. Hier der Puls der Großstadt, dort die Gelassenheit eines lateinamerikanischen Bergdorfes...

Nachher werden wir mit Michele, dem Chef der Nichtregierungsorganisation, in deren Wohnung wir wohnen, Wein trinken und zu Abend essen. Morgen früh wird es dann nach Otavalo gehen. Ob im Bus oder mit einem Bekannten von Enrique in dessen Auto – das weiß ich noch nicht. Ab Montag findet in den Chachimbiro-Thermen das Einführungsseminar statt für die Freiwillgen von YAP. Am nächsten Wochenende werde ich dann erstmals nach Pucará kommen und endlich erfahren, was genau meine Arbeit sein wird!

Bevor es soweit ist, noch ein paar Worte zu den letzten Tagen, die ich nutzen konnte, um Quito ein wenig besser kennenzulernen.

Zunächst stand die Altstadt auf dem Programm: Mit Enrique habe ich mir zunächst die Basilika angesehen, eine große und angenehm dunkle Kirche, deren beide Türme die Altstadt zu überwachen scheinen. Es folgte die Barockkirche Compañía de Jesús an: Von außen zwar reichlich verziert mit Steinmetzarbeiten fügt sie sich dennoch unscheinbar in die Häuserzeile ein. Von innen jedoch ist sie komplett mit Blattgold ausgekleidet, leuchtet förmlich und wirkt sehr beeindruckend! Im Anschluss sind wir ein wenig durch die Altstadt geschlendert, haben uns die calle La Ronda angesehen, die älteste Straße Quitos und wollten auf den Panecillo laufen, einen Hügel südlich der Altstadt, auf dem eine Marienstatue steht und auf die Stadt blickt. Nachdem uns jedoch vielfach davon abgeraten wurde, dorthin zu laufen, entschieden wir uns für die kurze Taxifahrt, um nicht überfallen und ausgeraubt zu werden – muss ja nicht sein, sowas! Die Aussicht vom Panecillo aus auf die Stadt ist beeindruckend. Trotz der etwas dunstigen Luft, die das Panorama bisweilen etwas blass wirken lässt.

Am Folgetag waren wir im Mercado Santa Clara. Der liegt an der Calle Versalles, westlich des barrios La Mariscal. Wie eine große Lagerhalle sieht sieht er aus, nicht sonderlich einladend also und alles Andere als spektakulär. Das ändert sich auch beim Betreten des Marktes nicht wesentlich: Der Innenraum wird von Gassen durchdrungen, an denen sich ein Stand an den anderen reiht; ein Teil der Halle ist für Obst reserviert, einer für Gemüse, einer für Fleisch, außerdem gibt es Kleidung, Elektronik und sehr viel scheinbar Unbrauchbares für den Haushalt. Die Obst- und Gemüsestände gleichen sich sehr, das Angebot scheint überall das gleiche zu sein – hat es dafür, zumindest farblich, in sich: Leuchtende Farben, grün, rot, gelb, pink und alles, was dazwischen zu finden ist im Farbspektrum, machen die Markthalle zu einer Art farbenfrohem Kunstwerk! Die meist kleinen und alten Verkäuferinnen mit ihren traditionellen Hüten und Schürzen erklären freudig und ausführlich, welches Obst wie verzehrt wird, und wie man welches Gemüse zubereitet.

Ganz anders als bei den Marktfrauen geht es in der Uni zu: Dort habe ich mir zunächst zwei Veranstaltungen – Architekturkritik und Ethik – in der Architekturfakultät angesehen. Das war interessant, weil ziemlich anders als ich das gewöhnt bin: Die Studierenden sind jünger als bei uns, und die Veranstaltungen verlaufen wie in der Schule. Später waren Chrissie und ich noch beim Treffen des Andinistenvereins der Uni: Auch dort war zu sehen, dass die, die studieren nicht dem Durschnittsecuadorianer entsprechen: Einer von den Hobby-Bergsteigern hat von seinem kurzen Aufenthalt in North Carolina vergangene Woche erzählt, wo er – mal eben so – zum Klettern war. Bei bis zu viertausend Dollar, die diese Universität – die Pontífica Universidad Católica del Ecuador – pro Semester verlangt, ist das aber auch nicht so sehr verwunderlich... (Abhängig von der finanziellen Situation der Studierenden variieren die Studiengebühren zwischen eintausendfünfhundert und viertausend Dollars.)

Soviel für heute. Alles Gute, viele Grüße – adiós!

martes, 17 de agosto de 2010

Seit Montag: Quito!

ALLES IST GUT! Das ist das Wichtigste – aber zu berichten gibt es noch mehr. Am Sonntagnachmittag ging die Reise los: Nach zwar tränenlosem aber irgendwie komischem Abschied von Freunden am Flughafen Berlin Tegel brachte mich eine KLM-Maschine nach Amsterdam, wo ich Katharina, die auch mit YAP in Ecuador ist und ganz in meiner Nähe leben und arbeiten wird, traf. Nach einer respektablen Wartezeit stiegen wir in die McDonnell Douglas MD-11, KLM Flugnummer 753, die uns über Bonair und Guayaquil nach Quito bringen sollte. Ein seltsames Gefühl hatte ich dabei, nachdem gelesen hatte, dass die MD-11 eine der unsichersten Maschinen (2,95 Unfälle pro Million Flüge) und der Flughafen in Quito aufgrund seiner Lage und Abschüssigkeit der schwierigste Flughafen sei!

Nichtsdestotrotz ging alles gut: Nach fünfzehneinhalb Stunden im Flieger landeten wir in Quito. Der Flughafen liegt mitten in der Stadt, die wiederum in einem Tal liegt: Vom nördlichen bis zum südlichen Ende misst Quito laut Reiseführer rund fünfzig Kilometer, von den Hängen im Osten zu denen im Westen kann man laufen: Das werden nicht mehr als fünf oder sechs Kilometer sein!

Am Flughafen hat mich Christina abgeholt. Außerdem habe ich meine Mentorin von YAP, Stephi, kennengelernt. Während Katharina und Stephi nach Otavalo gefahren sind, blieb ich mit Chrissie in der Hauptstadt. Wir fuhren zu der Wohnung, in der Chrissie seit ihrer Ankunft letzten Dienstag wohnt, damit ich mein Gepäck ablegen könnte. Bei der Gelegenheit konnten wir auch klären, dass ich bis zu meiner Abreise am Samstag nach Otavalo ebenfalls dort unterkommen würde. Die Wohnung gehört einer Nichtregierungsorganisation – Ayuda Directa –, die von Michele, einem Italiener geleitet wird. Eigentlich kommen hier die Freiwilligen unter, die von Quito aus in alle Regionen von Ecuador fahren, um dort zu arbeiten. Weil diese Freiwilligen – übrigens auch Deutsche, die hier über »weltwärts« sind – aber gerade unterwegs sind und erst am Samstag zurückkommen, habe ich bis dahin Platz hier. Die Wohnung liegt in Mariscal, dem Ausgeviertel Quitos, in dem sehr viele (weiße) Ausländer zu sehen sind. Viele Hostals, Bars, Restaurants befinden sich hier.

Obwohl die Stadt in einem Tal liegt und man die Berge fast immer sehen kann, obwohl es einige wenige große Straßen gibt, die die Stadt vom Norden bis in den Süden durchdringen, fiel mir die Orientierung am ersten Tag sehr schwer: Die Sonne scheint hier, auf der Südhälfte unseres Planeten, im Norden, was ich erst etwas später verstand, sodass ich etwas verwirrt war, dass die Himmelsrichtungen, die ich deutete, gar nicht mit irgendeiner Karte vereinbar waren!

Am Montag haben Chrissie und ich uns die Altstadt Quitos angeschaut. Die engen Straßen waren wahnsinnig überlaufen, und das lag nicht mal an den Touristen. Gewöhnungsbedürftig war, dass die Gebäude sehr europäisch aussehen – die Spanier haben viel dafür getan, sich hier heimisch zu fühlen! –, während die Menschen offensichtlich aus dieser Gegend kommen. Wir haben einen Platz gefunden, von dem aus man eine beeindruckende Aussicht über den südlichen Teil der Stadt hat und haben uns dann an einem Park niedergelassen, der einen guten Blick Richtung Norden bietet: Schöne erste Eindrücke waren das!

Am Dienstagvormittag bin ich zunächst in den Norden der Stadt gefahren, um meinen Ausweis bei irgendeinem Ministerium abzuholen, das mein Visum noch registrieren musste. Statt mit dem Bus zurückzufahren, habe ich einen ausgedehnten Spaziergang angehängt: Ein paar Meter ging ich nach Osten, legte einige Höhenmeter zurück und suchte nach einem Aussichtspunkt, von dem aus ich den Cotopaxi über der Stadt sehen könnte. Der Cotpaxi ist 5897 Meter hoch und daher auch von Quito aus sichtbar, obwohl er einige Kilometer südlich der Stadt liegt. Ich schaute mir das Barrio Bellavista an, das ein Viertel zu sein scheint, in dem eher wohlhabende Menschen leben. Immer wieder boten sich tolle Blicke auf die Stadt, die mit ihren Hochhäuschen, mit ihren Parks, mit den Ausfallstraßen und Gassen zwischen den Bergen eingekesselt liegt. Spektakulär anzusehen waren die Landeanflüge der Maschinen, die nur wenige Meter über der Stadt den Flughafen ansteuerten. Toll auch die steilen Hänge und die tiefen Schluchten, die das Erscheinungsbild der Stadt so sehr prägen!

Gegen Mittag kam ich wieder in Mariscal an, wo kurz darauf auch Chrissie eintraf, zusammen mit einem mexikanischen Freund, Enrique. Wir wanderten an den Westrand der Stadt und fuhren mit dem Telefériqo (teleférico = Seilbahn) auf den Volcán Pichincha, den Hausberg Quitos. Auf 4100 Metern über Normalnull stiegen wir aus der Kabine aus – und zumindest ich konnte ziemlich direkt spüren, dass die Luft dort oben erheblich dünner ist als noch in der Stadt. Wir spazierten ein paar Meter dem Gipfel entgegen, der für uns bei unserer nicht vorhandenen Ausrüstung und der Uhrzeit unerreichbar war und genossen die Aussicht über Quito, zum Cotopaxi und zum Cayambe (5796 Meter).

Später, auf dem Heimweg, den wir wieder zu Fuß zurücklegten, genossen wir noch kaltes Bier im Park, bevor wir uns ein typisches Abendessen gönnten: Reis mit Tortilla und etwas Salat. Die Tortilla ist hier nicht der Teigfladen wir in Mittelamerika, sondern ähnelt der spanischen Tortilla aus Ei und Kartoffeln.

Soweit bisher. Was ich davon halte? Quito gefällt mir bisher sehr gut. Die Stadt ist sauber und wirkt auf mich bisher sehr sicher. (Nachts oder betrunken würde ich aber nicht durch die Straßen ziehen.) Das ecuadoreanische Spanisch klingt wunderschön und die Menschen sind in der Regel sehr freundlich. Ganz so offen wie in Nicaragua geben sie sich allerdings nicht: Vielleicht sind sie einfach schon mehr an den Tourismus gewöhnt und lassen sich da von einem Weißen nicht aus der Ruhe bringen. Trotz allem freue ich mich schon sehr auf »mein« Dorf, weil die Stadt alles in allem doch auch sehr europäisch wirkt.

Bevor ich am Samstag nach Otavalo fahre, werde ich die Altstadt nochmal genauer unter die Lupe nehmen und ein weiteres Mal an den östlichen Rand der Stadt, in eine der Schluchten fahren. Danach werde ich wieder von mir hören/lesen lassen! Bis dahin, hasta la próxima!

domingo, 15 de agosto de 2010

Abflug

IN WENIGEN AUGENBLICKEN werde ich mich in einer Maschine der niederländischen KLM mit Kurs auf Amsterdam sitzen – um in der Hauptstadt der Niederlande in eine McDonnell Douglas MD-11 einzusteigen, die mich sicher nach Quito bringen soll. Was mach dort erwartet, weiß ich so genau noch gar nicht. Eine Woche werde ich in der Hauptstadt bleiben – der höchstgelegenen Hauptstadt der Welt, auf 2.850 Metern über Normalnull.

Es geht jetzt also los – endlich! Letzte Besuche und Gespräche, letzte Zugfahrten und Strecken liegen jetzt hinter mir, jetzt breche ich nach Südamerika auf! Für ein Jahr, in dem sicherlich viel passieren wird. Was es auch zu berichten geben mag: Ich werde euch hier auf dem Laufenden halten!

Viele Grüße, vorläufig zum letzten Mal aus Berlin!
Simon

miércoles, 4 de agosto de 2010

Schlusssprint

ZEHN VOLLE TAGE bleiben mir noch in deutschen Gefilden, dann werde ich in Maschinen der niederländischen KLM Royal Dutch Airlines von Berlin nach Amsterdam nach Quito fliegen.

Ein paar Dinge müssen noch besorgt, Impfungen aufgefrischt und Fragen geklärt werden. Die wichtigste Frage ist in meinen Augen die nach meinem Arbeitsplatz in Ecuador. Nachdem ich zunächst aus dem ursprünglich vorgesehenen Projekt in ein anderes verlegt wurde, sieht es momentan ganz danach aus, dass ich ein weiteres Mal unbekannterweise mein Arbeitsumfeld wechseln werde: Damit wir uns in Kaffeeprojekt der AACRI nicht auf den Füßen herumstehen – immerhin wären wir dort drei Freiwillige –, werde ich bald die Möglichkeiten eines Freiwilligendienstes in Pucará ausloten.

In dem Dorf, in dem rund dreihundert Menschen leben und das auch in der Intag-Region westlich von Otavalo auf rund zweitausend Metern über dem Meeresspiegel liegt, gab es in den vergangenen Jahren ein Projekt, in dessen Verlauf einige Häuser entstanden sind: Aus selbstgebrannten Ziegelsteinen, mit Sickergrube und einer Anlage für die Gewinnung von Biogas aus Schweinedung, um beim Kochen auf die weitere Abholzung der Wälder zur Gewinnung von Brennholz verzichten zu können. In meinen Augen wäre das ziemlich genau das gewesen, was ich gerne gemacht hätte – leider ist dieses Projekt inzwischen abgeschlossen. Die Arbeit ist jedoch noch nicht abgeschlossen, denn es gibt neue Projekte. Es geht um Bewässerung, Wiederaufforstung etc. Was ich genau tun werde, teile ich hier mit, sobald ich mehr weiß.

Zunächst aber noch der Hinweis auf diesen Artikel, der Hoffnung macht, dass das Engagement einheimischer und ausländischer Initiativen in Ecuador und andernorts nicht umsonst sein muss...