martes, 7 de junio de 2011

Auf den zweiten Blick

GANZ SO EXTREM, wie die Bilder sind, die in Deutschland von Cuba kursieren, ist die Realität nicht: Cuba ist wegen des politischen Systems weder die Hölle noch das Paradies auf Erden. Es gibt, wie andernorts auch, Probleme. Es gibt offenbar mehr Armut, als ich auf den ersten Blick wahrnehmen konnte. Es gibt sehr viele im Staatsapparat angestellte Menschen auf den Straßen, um für »Sicherheit« zu sorgen.

 

Aber die Bevölkerung sucht sich ihre Wege: Alle leben mit und vom Schwarzmarkt – und nach allem, was ich bisher gehört habe, wird dieser vom Staat geduldet: Ein paar Prozente der Einnahmen der Händler bekommt er immerhin auch ab. Und solange die Menschen irgendwie an die Dinge kommen, die sie benötigen, ist sicherlich das Risiko eines Volksaufstands geringer. Es scheint, als sei das Leben hier oftmals ein Spiel: Die Regeln macht die Regierung, das Volk versucht die Regeln soweit wie möglich auszuwaschen und somit besser über die Runden zu kommen.

 

Bei einem Spaziergang durch Centro Habana und Habana Vieja haben Nora und ich uns einiges über das Leben hier anhören können. Dabei ging es um die Situation nach Fidel: Raúl habe dem Volk innerhalb der letzten Jahre ein paar Freiheiten zugestanden – und es gäbe Gerüchte, dass er sogar darüber nachdenke, US-amerikanischen Unternehmen Cubas Tore zu öffnen.

 

Damit würde sich die Situation im Lande vermutlich stark verändern: Bis zum Zusammenbruch der Sovietunion habe man auf Cuba ganz gut leben können, die Gehälter seien angemessen gewesen und man habe eine faire Chance bekommen, ein Leben zu führen, das mehr war als nur ein Überleben. Danach sei es dann rasant bergab gegangen mit der Wirtschaft und dem Lebensstandart. Der Absturz sei in den letzten Jahren jedoch wieder gebremst worden durch ausländische Investitionen und den Tourismus: Das kann man auch an kürzlich renovierten und restaurierten Gebäuden und plazas sehen und an den zahlreichen neuen Hotels. Es gehe langsam bergauf – und wenn nun auch noch die Nordamerikaner kommen, sei das womöglich die Rettung für die Wirtschaft auf der Insel.

 

Dass ein Tourismusboom allerdings alle Probleme beseitigen kann, wage ich zu bezweifeln. Schon jetzt sorgt der Tourismus für Probleme: Ärztinnen und Ärzte, Lehrerinnen und Lehrer – also die, die für Cubas renommiertes Gesundheits- und Bildungssystem stehen – wandern in großem Umfang aus den Krankenhäusern und Schulen ab, um in Restaurants und Hotels oder anderen Tourismuseinrichtungen zu arbeiten, weil sie dort besser verdienen: Ein Krankenhausarzt verdient im Monat sechshundertfünfzig pesos cubanos, was einem Gehalt von fünfundzwanzig Dollar entspricht. Wer in einem Restaurant arbeitet, kann so viel an einem Tag mit Trinkgeld verdienen.

 

Die Lage bezüglich der Gesundheitsversorgung und der Bildung werde dem Ruf, den diese beiden Sektoren über die kubanischen Grenzen hinaus genießt, nicht mehr gerecht: Wegen des Lehrermangels seien viele Lehrerinnen und Lehrer nicht älter als achtzehn oder neunzehn Jahre; Jugendliche, die gerade erst selbst aus der Schule gekommen sind. Dass es ihnen an Erfahrung und Kenntnissen mangelt, ist vorstellbar. Und die Motivation der Ärztinnen und Ärzte, sich um fünfzig Patientinnen und Patienten an einem Vormittag zu kümmern, sei nicht besonders hoch: Bei diesem Aufwand erwarte man schließlich mehr als fünfundzwanzig Dollar.

 

Erstaunlich finde ich, wie deutlich manche Menschen Kritik an der politischen Führung äußern – das findet zwar nicht auf der Straße statt, aber wenn man mit Menschen in deren Wohnzimmern zusammensitzt und sicht mit ihnen unterhält, werden sie manchmal sehr klar bezüglich der Kritik am presidente.

 

Ganz so extrem, absolut böse oder absolut gut, ist es hier, ist das System nicht. Es gibt Probleme, die unübersehbar sind und vermutlich gibt es einige Probleme unter der Oberfläche, die ich noch nicht erkannt habe und/oder nicht entdecken kann während des kurzen Aufenthaltes. Und es gibt viele Dinge, die mir sehr gut gefallen und die mich beeindrucken. In gewissen Hinsichten habe ich den Eindruck, dass es zumindest den Menschen in Havanna oftmals besser geht als denen in Íntag. Dass das System hier besser für die Menschen ist, als dies in Nicaragua und Ecuador der Fall ist.

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