domingo, 26 de septiembre de 2010

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DAS PARADIES IST eigentlich gar nicht schwer zu erreichen: Mit dem ersten und dem letzten Bus des Transportunternehmens »Otavalo« fährt man von Apuela weiter in südwestlicher Richtung, »adentro«: hinein, wie man diese Richtung hier beschreibt, über García Moreno und gelangt schließlich nach Magdalena Bajo. Dort muss man ein bisschen Glück haben, dass gerade eine camioneta bereitsteht, deren Fahrer die wenigen Kilometer über die noch weniger gute »Straße« zurückzulegen bereit ist. Nach einer Fahrzeit von insgesamt rund zweieinhalb Stunden kommt man dann an: In El Paraíso!

Schon oft habe ich mich gewundert, warum Jesus und alle, die mit ihm Kontakt gekommen sind, auf sämtlichen Darstellungen weiß sind. In Tansania habe ich mich darüber schon fast geärgert: Dass die Kirche ihre Protagonisten immer nach europäischem Vorbild gestaltet! Hier – endlich, endlich – fühle ich mich zwar nicht bestätigt, weil ich keine Vorstellung hatte, die man mir hätte bestätigen können, aber irgendwie empfinde ich dennoch eine Genugtuung: Die Menschen, die im Paradies leben, sind fast ausschließlich schwarz!

Lange war ich nicht im Paradies: Von Freitagmittag bis Samstagmorgen habe ich dort mit Nora zusammen eine Rast eingelegt, um mit Carmen, die dort lebt und in Pucará in der Spanischschule arbeitet, über mögliche Arbeiten und Aufgaben in der und für die Spanischschule zu sprechen. Dennoch hatte ich genug Zeit, ein paar Dinge zu bemerken: Auf dem Weg von Apuela nach El Paraíso änderte sich die Zusammensetzung der Fahrgäste. Es stiegen nicht nur immer mehr Menschen aus, sodass wir am Ende noch zu fünft im Bus saßen – die Menschen, die mit uns im Bus saßen, waren, je weiter wir Apuela zurückließen, immer seltener indianischen oder spanischen Ursprungs, haben ihre Wurzeln offensichtlich auf dem Afrikanischen Kontinent. Die Häuser am Straßen-, besser: Wegrand unterschieden sich immer mehr von denen in Pucará, Apuela, Otavalo: In dem Maße, in dem Beton und Stein als Materialien abnahmen, waren immer mehr Holzhäuser zu sehen. Und zum Teil hatten die diese Bezeichnung: Haus, durchaus verdient! Nicht selten waren sie zweigeschossig, und teilweise waren die Fassaden aus filigran zurechtgeschnitzten Holzstückchen zusammengesetzt! Klar: Je weiter die Städte entfernt liegen, desto teurer wird der Transport der Baumaterialien, sodass die Entscheidung für in der Umgebung auffindbare Baustoffe irgendwann erforderlich wird!

Ich habe mich jedenfalls sehr an den Nicaragua-Karibikurlaub erinnert gefühlt: Die Bauweise in El Rama, Bluefields und auf den Corn Islands war sehr ähnlich, und auch dort bestand die Bevölkerung hauptsächlich aus dunkelhäutigen – ich weiß nicht, was momentan politisch korrekt ist; und es ist mir egal – Nicaraguanerinnen und Nicaraguanern – das Gendering kann ja trotzdem. Nur ein nicht ganz unwichtiges Detail unterschied sich sehr vom nicaraguanischen oriente: Wir befanden uns nach wie vor in den Bergen!

Carmen hat mit ihrem Gatten Patricio eine kleine Pension in El Paraíso. Außerdem stellen sie Schmuck und Schlüsselanhänger aus Perlen her, die sie aus bestimmten Samen schnitzen, schleifen, bemalen. Warum sie ausgerechnet in El Paraíso, was wirklich ab vom Schuss liegt, eine Pension unterhalten, wurde mir nicht ganz klar. Dass dieses Unternehmen nicht so gut laufen kann, schloss ich nicht nur aus dessen Lage, sondern auch daran, dass vor allem Carmen in ungefähr jedem zweiten Satz den Wunsch äußerte, dass wir unbedingt wieder zu Besuch kommen sollten, um uns die »Attraktionen« in und um El Paraíso anzusehen! Und am besten solle ich doch auch als Freiwilliger dort arbeiten, und nicht nur in Pucará. Es beschlich mich im Laufe unseres Besuchs immer mehr das Gefühl, dass es Carmen nicht darum ging, mit mir über die Spanischschule zu sprechen, sondern mich von dieser abzuwerben. Unangenehm!

Angenehmer war das Abendprogramm: Weil eine französische Reisegruppe in El Paraíso war, wurde eine ortsansässige Band organisiert, die uns mit ihren musikalischen Fähigkeiten unterhielt. Wir saßen also gemütlich in einer Runde, ein Kanister mit selbstgebranntem Destillat machte die Runde und die Herren gaben ziemlich schnulzige Lieder zum Besten. Danach unterhielten Nora und ich uns noch ein Weilchen mit der Dorfjugend und wurden mit Bier vom Nachbarn der Pension, der auch Simon heißt und in diesem wirklich nicht barrierefreien Dorf (Schlaglöcher, und der Weg dorthin ist ein Thema für sich) trotz seiner Blindheit gut zurechtzukommen scheint...

Am Samstagmorgen fuhren Nora und ich mit Patricio und einem anderen jungen Mann aus El Paraíso nach Junin. Weil es billiger war und schneller gehen sollte, nahmen wir beide auf jeweils einem Motorradrücksitz Platz. Ohne Helm: Wir sind ja in Südamerika! (Nein, wir haben keine Sekunde daran gedacht, dass in diesem Jahr eine andere YAP-Freiwillige in Nicaragua fast an den Folgen eines Motorradunfalls gestorben war, weil sie keinen Helm getragen hatte.) Allerdings: Besonders schnell waren wir nicht unterwegs. Das ließen diverse Steigungen, Schlaglöcher und Fahrbahnbeläge nicht zu! Dreißig Kilometer und etwas mehr als eine Stunde später kamen wir dann in Junin an. Einerseits wollten wir dorthin, weil die achte »Asamblea de Mujeres de Íntag«, also die achte Versammlung der Frauen aus Íntag, dort stattfinden würde. Andererseits hat Junin eine spannende Vergangenheit: Vor einigen Jahren ließ sich dort ein Minenunternehmen nieder. Oder, richtiger: wollte sich dort niederlassen. Man hatte es auf die Kupfervorkommen bei Junin abgesehen. Nach erfolgreichen Probebohrungen und -sprengungen hätte die Kupferförderung dann eigentlich losgehen können. Eigentlich: Wenn sich die Einwohnerinnen und Einwohner nicht so hartnäckig und effektiv gewehrt hätten...

Nachdem man den Versprechen des Unternehmens anfänglich Glauben geschenkt und dem Minenbetrieb somit Tür und Tor so gut wie geöffnet hatte, bemerkte man bald, dass irgendetwas aus dem Ruder gelaufen war: Die Arbeiten hatten gerade erst begonnen, da starben die ersten Tiere, weil sie aus dem Bach getrunken hatten, von dem das Dorf lebte. Kindern, die in dem Rinnsal gebadet hatten, wurden krank, bekamen schlimme Ausschläge. Den Menschen aus Junin fiel es wie Schuppen von den Augen: Sie würden sehr bald an einen anderen Ort ziehen müssen, weg von dem verseuchten Wasser, weg von dem verseuchten Boden, der es ihnen nicht mehr erlauben würde, Felder zu bestellen und Gemüsegärten zu pflegen. Sie taten, was getan werden musste, um sich diesem Schicksal nicht ergeben zu müssen: Sie griffen zu allen erdenklichen Mitteln und schafften es nach zahlreichen Auseinandersetzungen, das Minenunternehmen tatsächlich aus Junin zu vertreiben. Wasser und Erdreich scheinen nicht nachhaltig verunreinigt worden zu sein, das behauptet man jedenfalls – der Alltag hat in Junin wieder Einzug erhalten!

Minenunternehmen wollen jetzt mit dem Kupferabbau unweit von El Paraíso beginnen; derzeit laufen die letzten Untersuchungen. Widerstand regt sich dort kaum – zu groß ist derzeit noch die Verlockung, täglich mehr als zwanzig Dollar für vergleichbar einfache Arbeit zu verdienen! Dass das kurzsichtig gedacht ist, ist offensichtlich: Obwohl dreiundzwanzig Dollar Tagelohn für hiesige Verhältnisse wirklich gut zu sein scheinen, helfen sie nicht sonderlich viel, wenn man davon zunächst neues Land kaufen muss, weil das alte verseucht ist. Wenn man irgendwann alle Lebensmittel von außerhalb kaufen muss. Wenn man zwar ein Dach über dem Kopf hat, aber keine Möglichkeit, an sauberes Wasser zum Baden und Waschen zu kommen. Wenn man die Kosten für Ärzte und Medikamente aufbringen muss...

(Patricio hat erzählt, dass das Minenunternehmen ihm, als er der »Präsident« von El Paraíso war, stolze sechshundert Dollar pro Monat versprochen hatte: Damit er sich nicht gegen den Kupferabbau äußere oder über die Risiken und Nebenwirkungen berichte.)

Zurück zu Junin: Heute gibt es dort Betten für Touristen, die kommen, um von den Kämpfen und Siegen der Vergangenheit zu erfahren und die (wieder) unberührte Natur zu erkunden. Etwas erschrocken war ich aber, nachdem ich von der Direktorin der ganzen Angelegenheit erfahren hatte, dass eine Übernachtung in Junin stolze dreißig Dollar kostet! Freiwillige, die in Junin Englisch- und Computerkenntnisse vermitteln sollen, zahlen stolze fünfzehn bis zwanzig Dollar. Täglich – ich bin noch kein Freund des turismo comunitario, für den ich mich in Pucará ja eigentlich stark machen soll!

Die asamblea der Frauen war nicht sonderlich spektakulär: Eine interessante Rede über und gegen den Machismus von einer Frau, die nicht nur gebildet und entschlossen wirkte, sondern durch viele Fragen an ihre Zuhörerinnen versuchte, diese aus ihrem Trott zu reißen, war der Anfang der sonst ziemlich zähen – Basisdemokratie... – Veranstaltung. Die Rednerin appellierte an die Zuhörerschaft, die bestimmt zu einem Drittel aus Männern bestand, dass diese die Arbeit der Frauen – die ungelogen so beschrieben wurde: kochen, waschen, putzen, Klatsch und Tratsch in der Dorfgemeinschaft, Erziehung der Kinder, Ehefrau – anerkennen und der Tatsache, dass ohne diese Arbeit kein Ehemann, keine Familie überleben könne, ins Auge blicken solle.

Die Rückfahrt nach Apuela war dann noch ein kleines Abenteuer. Wir fuhren mit der ranchera, einem Laster, der einen Bretterverschlag mit Sitzbänken geladen hat, in dem wiederum viele Passagiere Platz finden. Dieses Gefährt war erst langsam unterwegs, dann gar nicht mehr: Der Keilriemen riss. Nach einer Weile konnte er jedoch ersetzt werden – mit durch einen Nylonstrumpf. So kamen wir immerhin in die nächste Ortschaft, in der wir dann nochmal ein Stündchen warten musste, bis ein neuer Keilriemen aus Apuela gebracht wurde. Dort kamen wir dann schließlich noch an – wer hätte das gedacht?

2 comentarios:

  1. Kanister...selbstgebranntes Destillat...
    auch wenn das Troepfchen aus dem Paradies kommt hoert sich das nach boesen Kopfschmerzen an

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  2. achja, die letzte Ueberschrift ist mir ein Raetsel! Wenn ich damit was zu tun habe bitte ich um weitere Anhaltspunkte.

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