domingo, 12 de septiembre de 2010

Arbeit und -losigkeit

ES IST SCHADE, wie der »Entwicklungspolitische Freiwilligendienst« des Bundesministeriums für Zusammenarbeit, »weltwärts«, immer wieder in der Kritik steht: Den Freiwilligen wird, mehr oder weniger pauschal, unterstellt, einen »Egotrip ins Elend« zu unternehmen und dergleichen. Dem habe ich immer widersprochen – und auch weiterhin bin ich davon überzeugt, dass man nicht davon sprechen kann, dass die Einsätze, die durch »weltwärts« ermöglicht werden, grundsätzlich sinnlos sind.

Allerdings merke ich momentan sehr, wie stark die Sinnhaftig- respektive -losigkeit eines Einsatzes im Rahmen des »weltwärts«-Programmes von der guten Planung durch die beteiligten Organisationen abhängig ist. Und von einer Vision, einer Zielsetzung.

Nueva Nicaragua Wiesbaden e.V., der Verein, für den ich nach dem Abitur ein Jahr lang in Nicaragua gearbeitet habe, hatte all dies: Eine gute Planung, eine Vision und Zielsetzungen. Dafür hatte ich kompetente Ansprechpartnerinnen und Ansprechpartner in Deutschland und vor Ort und meistens etwas zu tun.

Jetzt sieht das anders aus: Wie den ersten Blogeinträgen zu entnehmen ist (oder sein sollte), lief schon während der Vorbereitungsphase nicht alles ganz rund: Plötzlich sollte ich nicht mehr in dem Projekt arbeiten, an das ich vertraglich gebunden war und bin. Dann kam ein weiterer Projektwechsel, der dazu führte, dass wirklich alles unklar wurde und ich gar nicht mehr wusste, was mich erwarten würde. Das nahm ich als Herausforderung wahr und an: Ich würde das schon meistern!

Was die Sprache angeht und die Kultur, den Alltag, passt das auch: Inzwischen habe ich mich einigermaßen eingelebt in Pucará und fühle mich auch wohl dort. In meinem neuen Zuhause im ecuadorianischen Nebelwald, auf zweitausend Metern über Normal Null, mit ebenso einfachen wie herzlichen Mitmenschen, Subsistenzwirtschaft und herrlicher Aussicht.

Arbeitstechnisch sieht es allerdings mau aus: Offiziell bin ich der Koordinator der Escuela de Español de Intag. Doch dieser Titel bedeutet offenbar nicht unbedingt, dass ich alle Hände voll zu tun habe! Da nicht alle wissen, was es mit der Spanischschule auf sich hat, fange ich mal ganz vorne an –

Peter Shear ist US-Amerikaner. Er kommt aus einem ländlichen Staat im Nordwesten der USA und hat vor einiger Zeit seine eigene Nichtregierungsorganisation »C.A.S.A. interamericana« ins Leben gerufen. (C.A.S.A. steht für »Centro para las artes, el sustento, y la acción«, also Zentrum für Kunst, Nachhaltigkeit und Aktion.) Nach einigen Jahren in Guatemala hat es Peter nach Ecuador verschlagen. Hier kam er angesichts der rund zweihunderttausend Sprachschülerinnen und Sprachschüler auf die Idee, eine eigene Sprachschule aufbauen. Die sollte nicht in einer der üblichen Städte – Quito, Cuenca, Otavalo et cetera – sein und nicht von studierten, also relativ wohlhabenden Ecuadorianerinnen und Ecuadorianern unterhalten werden, sondern von Menschen, die hilfsbedürftig sind.

An dieser Stelle kommt Pucará ins Spiel: Ein kleines Dorf, das vor langer Zeit vom Volk der yumbo gegründet wurde, in Vergessenheit geriet und verfiel, um in den Vierzigerjahren des zwanzigesten Jahrhunderts wieder besiedelt zu werden. Pucará liegt auf einem Plateau am westlichen Rand der Anden, thront gewissermaßen über dem Intag-Tal, in dem Apuela liegt, und bietet hervorragenden Bedingungen für Landwirtschaft. Was der Ort nicht bietet: Verdienstmöglichkeiten. Und aus diesem Grund beschließen die jungen Menschen, die in Pucará aufwuchsen und aufwachsen, in die Stadt zu gehen. Nach Otavalo, nach Ibarra, nach Quito. Um Geld zu verdienen, um das Leben zu leben, das das Fernsehprogramm tagtäglich verspricht.

Peter beschloss, in Pucará eine Spanischschule zu gründen: Um Touristen in die Gegend zu locken und mit ihnen Geld. Die vier Lehrerinnen, die derzeit in der Spanischschule arbeiten, kommen aus oder leben in Pucará. Keine von ihnen hatte die Möglichkeit, zu studieren; sie haben Kurse besucht und jeweils eine Urkunde erhalten, die sie berechtig, Spanisch für Ausländer zu unterrichten. Für die Dauer ihres Aufenthaltes werden die Schülerinnen und Schüler in Gastfamilien untergebracht: Derzeit nehmen einundzwanzig Familien aus Pucará an dem Programm teil. Für jede Übernachtung erhält die entsprechende Familie zehn Dollar von ihrem Gast. Eine stattliche Summe, wenn man erstens in Betracht zieht, dass das Geld in Pucará selbst kaum ausgegeben werden kann und zweitens weiß, dass der monatliche staatliche Zuschuss für arme Familien dreißig Dollar beträgt!

Geworben wird für die Escuela de Español de Intag mit dem Ausdruck des turismo comunitario, dessen Übersetzung ins Deutsche ich nicht kenne: Gemeint ist eine Art Tourismus, von der die Einheimischen und am besten gleich eine ganze Gemeinschaft profitiert – und nicht ein Reiseunternehmen. Außerdem bietet die Spanischschule in Pucará Freiwilligeneinsätze an: Die Schülerinnen und Schüler gehen einen halben Tag in die Spanischschule und werden die andere Hälfte des Tages in die Feldarbeit oder andere Projekte eingebunden.

Soviel zur Spanischschule. Nun zu meiner Arbeit: Als Koordinater dieser Schule. Im Grunde lässt sich meine Arbeit in drei Bereiche einteilen – erstens: Die Arbeit mit den Lehrerinnen. Ich soll ihnen helfen, den Unterricht zu verbessern, indem ich ihnen beispielsweise die Erwartungen und Gedanken der ausländischen Schülerinnen und Schüler näherbringe. Zweitens: Die Arbeit mit den Gastfamilien. Ich schaue, welche Schülerinnen und welche Schüler in welcher Familie unterkommen. Dabei habe ich darauf zu achten, dass jede Familie auf lange Sicht ungefähr gleich viele Gäste hat und somit gleich stark von dem Programm profitiert. Drittens: Handwerkliche Tätigkeiten. Ich muss einen Überblick haben über die anstehenden Aufgaben. Was ist zu tun, was geht wie, und wann wird es am besten erledigt?

Vor allem den letzten Punkt hatte ich mir gewünscht für meinen Freiwilligendienst. Um trotz der Pause vom Architekturstudium irgendwie mit der Thematik auf Tuchfühlung zu bleiben – ganz praktisch und nicht nur in der Theorie. Blöd nur: Dass ich die Arbeiten nach Möglichkeit nicht erledigen soll! Vielmehr soll ich darauf achten, dass genügend Arbeit anfällt, wenn mal Kundschaft für die Schule kommt!

Und das ist genau der Haken an der ganzen Sache: Dass ich das Gefühl habe, ein paar gringas und gringos nicht mehr und nicht weniger als schöne Ferien bereiten zu sollen. Dass das ganze Projekt – so nett Peter ist und so herzlich die Pucareños sind – mit dem, was ich unter Entwicklungszusammenarbeit verstehe, nichts zu tun hat. Es geht um zweierlei: Bargeld für die Einheimischen und Events für die Touristen. Nun sind ja diese beiden Dinge per se nicht zu verteufeln – aber hier führen sie doch zu einem ziemlich wackeligen Konstrukt: Sobald Peter, warum auch immer, nicht mehr hier ist, um Schülerinnen und Schüler aus den USA zu mobilisieren und somit das Einkommen der Pucareños, ist die Sache gelaufen.

Mein Ziel ist es, eine Idee zu entwickeln, die das Projekt auf eine andere Schiene führt: Weg vom Geld, hin zu anderen Anreizen. Die können auch materieller Art sein: Ein Raum für die Jugendlichen, die noch in Pucará leben. Mit Internetanschluss, Computerkursen und Workshops mit den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern der Zeitung. Zum Beispiel.

Dazu muss ich zunächst die Jugendlichen besser kennenlernen. Dazu muss ich mit Peter sprechen, von dem immerhin das Geld kommt – oder kommen soll. Dazu muss ich mich mit den anderen Bewohnerinnen und Bewohnern auseinandersetzen: Damit sie verstehen und unterstützen, um was es geht!

Sollte all das nicht zu Stande kommen, wird es folgendermaßen aussehen: Ich werde mal hier, mal dort etwas reparieren. Mal hier, mal dort helfen, Erbsen zu schälen oder Bohnen. Einkäufe für die Schule tätigen und Fortbildungen buchen. Mit den Gastfamilien und mit an Spanischunterricht Interessierten in Kontakt bleiben. Und das wird der Bezeichnung des »Entwicklungspolitischen Freiwilligendienstes« des Bundesministeriums für Zusammenarbeit, »weltwärts«, nicht gerecht, finde ich.

Ich hoffe also und denke viel nach. Und werde an gleicher Stelle berichten, sobald ich mehr weiß! Peter kommt in anderthalb Wochen wieder nach Ecuador...

1 comentario:

  1. Liebster Simon,
    die Abhängigkeit von anderen hat mich während meiner Zeit auch stets begleitet. Blöde Sache, aber mit deinen Sprach- und Kulturkenntnissen wirst du mit Sicherheit noch die ein oder andere Chance bekommen, dich sinnvoll zu betätigen. So viel dazu. Nun zu wirklich wichtigen Dingen: Sahin hat ein echtes Traumtor erzielt und der BVB wird in der Presse hochgelobt. Und noch grandioser: durch einen Doppelpack eines gewissen Nelson Valdez entführte der spanische La Liga Aufsteiger Hercules Alicante drei Punkte aus dem Camp Nou und fügte Barca die erste Saisonniederlage zu. So kann's gehen!
    Gruß
    Hannes

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