sábado, 18 de diciembre de 2010

Goldrausch

VOR LANGER ZEIT, bevor Kolumbus glaubte, Indien entdeckt zu haben und in der Folge eine Horde mordender und plündernder Spanier ganze Völker und deren Kulturen auslöschte, lebte in der Region, die heute »Íntag« heißt und sich in den westlichen Ausläufern der ecuadorianischen Anden befindet, der Stamm der Yumbos. Dieses Volk hatte sich nicht von den expandierenden Inkas vereinnahmen lassen und trieb Handel mit den Völkern an der Küste und mit denen, die im Andenhochland lebten.

Als die skrupellosen Europäer in Íntag eintrafen, gab es keine Rettung mehr: Mensch und Kultur waren dem Untergang geweiht. Erst einige Jahrhunderte später beschlossen einige wenige Bauern, das vom Nebelwald bewachsene Plateau zwischen dem Toabunche- und dem Íntagfluss für landwirtschaftliche Zwecke zu nutzen. Im Rahmen der Arbeiten, die notwendigerweise durchgeführt wurden, um das Gelände bewohnbar zu machen, stieß man auf eine erhebliche Anzahl von Spuren vorheriger Zivilisationen und nahm daher an, dass der Ort, eine rund fünfhundert Meter über den umliegenden Tälern gelegene Ebene, als Zufluchtsort für längst ausgestorbene Völker gedient hatte: Man entschied sich, ihm den Namen Pucará zu geben. Aus welcher Sprache dieser Begriff stammt, entzieht sich meiner Kenntnis – seine Bedeutung ist jedoch auch mir geläufig: Festung.

Noch heute finden sich Überbleibsel der Yumbos: Wer seinen Acker umgräbt und dabei ein wenig Glück hat, stößt auf Tonscherben. Mit etwas mehr Glück lassen sich intakte Tongefäße ans Tageslicht bringen. Und wirklich glückliche Bäuerinnen und Bauern entdecken Goldschmuck, oder zumindest einzelne Goldperlen im fruchtbaren Boden Íntags.

Als in den Sechzigern die Fläche, die heute als Fußballplatz dient, eingeebnet wurde, wurden wohl ganze Tonkrüge voller Gold aus dem Erdreich gehoben. Angeblich stieß man auch auf Tunnelsysteme und andere Dinge mehr, die erahnen lassen, dass die heutige Bevölkerung Pucarás, was Reichtum und Infrastruktur angeht, – mit Verlaub! – nicht mithalten kann mit den Siedlerinnen und Siedlern vor ein paar Jahrhunderten.

Ein paar Funde befinden sich noch im Besitz der (unfreiwilligen) Schatzgräber: Mein aktueller Gastvater Don Jaime besitzt beispielsweise unter anderem zwei vollständig erhaltene Tongefäße, die an kleine Karaffen erinnern. Andere haben ihre Entdeckungen angeblich in Bares umgewandelt – so wurden aus Goldperlen mit der Zeit japanische Pick-Ups oder zweigeschossige Häuser. Und einige der Schätze haben, so sagt man, tatsächlich den Weg in Museen geschafft!

Gesprochen wird über dieses Thema: Die Yumbo und ihre Schätze kaum. Ich habe in der letzten Zeit recht viel dazu gefragt und ein wenig nachgebohrt – doch wirklich gerne scheinen nur sehr wenige darüber zu sprechen. Hat der Fund alter Schätze seinerzeit zu Missgunst unter den Familien Pucarás geführt? Hat es Meinungsverschiedenheiten gegeben, was mit den Kostbarkeiten zu tun sei? Haben sich möglicherweise einige Beteiligte auf Kosten anderer bereichert? Fand vielleicht für eine kurze Zeit ein wahrer Goldrauschs hier statt, mit all der Gier und Spekulation und List – und haben seine Nutznießer inzwischen ein schlechtes Gewissen?

Wenn es tatsächlich so einfach ist, auf Keramik und Schmuck der Yumbos zu stoßen – warum versucht niemand, damit Geld zu verdienen? Peter erzählte mir zu Beginn meiner Zeit hier, dass er jedes Mal, wenn er auf dem Acker arbeite, zumindest auf Tonscherben stoße. In Otavalo werden jeden Samstag Eisen- und Tongegenstände verkauft, von denen ich inzwischen gar nicht mehr glaube, dass es sich dabei nur um billige Imitationen handelt: Die Behörden scheint es jedenfalls nicht zu interessieren, dass die präkolumbianische Geschichte Ecuadors besonders gut untersucht wird. Dies könnte bedeuten, dass man Gegenden Pucará etwas genauer unter die Lupe nähme, um professionelle Ausgrabungen zu unternehmen. Und möglicherweise wäre es dann auch nicht so einfach, auf einem Wochenmarkt für wenig Geld an Gegenstände zu gelangen, die alt sind und vielleicht wertvoll – und eigentlich ins Museum gehören!

Als Carolina, die Chefin des Periódico ÍNTAG, die in Pucará lebt, neulich davon erfuhr, dass bei den Arbeiten für die hiesige Kanalisation, angeblich Knochen gigantischen Ausmaßes gefunden wurden und dass einer der Arbeiter sich einen dieser Knochen mit nach Hause genommen hatte, führte sie einige Gespräche im Dorf und setzte schlussendlich soetwas wie die Denkmalschutzbehörde des Landes in Kenntnis: Damit diese komme, um eine professionelle Untersuchung durchzuführen, die den Knochenfunden und den bereits gehobenen Schätzen auf den Grund gehen würde.

Am Donnerstag hätten die Herrschaften in Pucará sein sollen, und wir waren schon sehr gespannt: Würden Archäologinnen und Archäologen nun Tag und Nacht (und vor allem: im Regen) in einer von Absperrband umgebenen Parzelle sitzen und mit Schäufelchen und Pinselchen eine Erdschicht nach der anderen abtragen und dabei eine Mischung aus Jurassic Park und Machu Picchu ans Tageslicht bringen? Stattdessen: Nichts! Niemand kam.

Auf Nachfrage Carolinas teilte man dann mit, dass man gerne dazu bereit sei, Pucará zu besuchen und die Lage zu analysieren – allein, man habe kein Auto und müsse also in Quito abgeholt werden. (Die Staatsdienerinnen und Staatsdiener werden sicherlich nicht schlecht bezahlt, und die einfache Fahrt von Quito nach Pucará kostet drei Dollar sechzig.)

Zu Weihnachten wünsche ich mir einen Yumboschatz, inklusive goldenem Sarkophag vom großen Yumbokönigspaar. Wenn die Damen und Herren vom Instituto Nacional de Patrimonio Cultural nicht aufkreuzen, werde ich mich mit dem Spaten daran machen, die Vergangenheit Pucarás ans Tageslicht zu bringen! Und im Museum wird dann ganz sicherlich nichts davon landen...

2 comentarios:

  1. Hej!
    Frag mal Mary-Ellen nach den Yumbos! Die war vor 3 Jahren ganz begeistert von denen und wollte sogar, dass ich Archäologie studiere und dann zurückkomme und die Yumbos ausgrabe. :) Jedenfalls hat sie ein ganzes Buch über die, vielleicht findest du da was was dich interessiert!
    Liebe Grüße!

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  2. Kannst du mir was mitbringen? Yumbo ist übrigens ein schöner Name. Grüße aus Bremthal, wo es nicht regnet, sondern schneit!

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