jueves, 25 de noviembre de 2010

Von Affen und Schamanen

WIEDER IN PUCARÁ geht es ziemlich genau da weiter, wo es aufgehört hat: Es regnet, ist relativ kalt und sehr, sehr grau. Was aussieht wie der Herbst in Deutschland, ist der ecuadorianische Winter. Zum Glück konnten Julian und ich dieser ungemütlichen Jahreszeit ein wenig entfliehen!

Nach zwei komplett verregneten Tagen in Quito brachen Julian und ich am Dienstagmittag nach Baños auf: Dieses Städtchen liegt rund drei Stunden südöstlich von Quito und wird wegen seiner heißen Quellen gerne von (Rucksack-)Reisenden besucht. Auch seine Lage zwischen der sierra und dem Amazonastiefland hat ihm zu einem Stammplatz auf der Route Ecuadorreisender verholfen. Wir fuhren dort hin, um dem winterlichen Quito zu entfliehen – und wurden wettertechnisch leider nicht belohnt. Immerhin: Die Fahrradtour Richtung Puyo führte uns durch die Pastaza-Schlucht Richtung Amazonastiefland und immer wieder boten sich uns tolle Blicke ins tief in die Berge eingeschnittene Tal. Am Ende unserer Tour konnten wir noch einen ersten Blick auf die Amazonasebene erhaschen, bevor der Regen einsetzte und wir den nächsten Bus zurück nach Baños nahmen.

Nach der kleinen Radtour ging es ziemlich direkt nach Quito zurück. Dort wartete ein etwas stressiges Programm auf uns: Wir mussten unser Gepäck im Hostal in der Altstadt abholen, es bei dem Busunternehmen, das uns später nach Lago Agrio bringen sollte, abgeben und dann zum Stadion fahren, in der Hoffnung, noch Eintrittskarten zu bekommen: Des Freundschaftsspiel der ecuadorianischen Nationalmannschaft gegen Venezuela stand an, und wir wollten uns dieses Event nicht entgehen lassen!

Für zehn Dollar haben wir Karten für die Gegentribüne bekommen, und beim Schlangestehen vor den ziemlich nachlässigen Kontrollen wurden wir von zwei jungen Ecuadorianern angesprochen, mit denen wir uns während des Spiels gut unterhielten und die bei meinen nächsten Quitofahrten eine Anlaufstelle sein könnten, wenn ich das Leben in Hostals leid bin. Das Spiel fing unterhaltsam an, und nach gefühlten drei Minuten stand es bereits zwei zu null für die gasgebende Mannschaft. Bis zur Halbzeit fiel noch ein weiterer Treffer für die Heimmannschaft, und nach dreiundneunizg Minuten stand es vier zu eins.

Bemerkenswert waren die Verkäuferinnen und Verkäufer im Stadion: Während des gesamten Spiels liefen sie durch die Ränge und priesen ihre Waren lauthals an: Bier, Softdrinks, empanadas, Bonbons, Chips, Zigaretten. Ansonsten war die Stimmung eher mittelprächtig. Die Tribünen waren beiweitem nicht ausverkauft, wie es bei einem unbedeutenden Freundschaftsspiel und bei diesen Witterungsverhältnissen, noch dazu unter der Woche und abends, wohl weltweit zu erwarten gewesen wäre.

Später an diesem Abend stiegen Julian und ich in den Bus der Trans Esmeraldas, der uns in den oriente bringen sollte, genauer: nach Lago Agrio, im Nordosten des Landes, unweit der kolumbianischen Grenze. Die achtstündige Nachtfahrt war schrecklich, der Fernseher unglaublich laut und der Film – »Papá se volvió loco« – unglaublich schlecht. Immerhin: Als wir am Folgetag um halb sieben Uhr morgens in Lago Agrio ankamen, schien die Sonne! Und es war warm.

Nach dem Frühstück wurden wir und zwölf weitere Touristen von Mariana abgeholt: Die sollte für die folgenden fünf Tage unsere Führerin sein und uns sicher durch den Dschungel bringen. Doch zunächst standen zweieinhalb weitere Stunden im Bus an. Wir fuhren bis zur Cuyabeno-Brücke, wo unser Gepäck und wir in motorisierte Kanus verfrachtet wurden. Nun ging es zwei Stunden auf dem Cuyabeno-Fluss stromabwärts bis zu unserer Lodge. Unterwegs war das dichte Grün des Dschungels zu bestaunen, das leuchtende Blau der Schmetterlinge, das ununterbrochene Gezwitscher verschiedener Vögel. Auch Affen konnten wir beobachten, um sogar die rosafarbenen Flussdelfine konnten wir entdecken. Die Bootsfahrt durch den Dschungel war aufregend: Wir waren von Wasser, dem Grün des Urwaldes und der vielseitigen Klangkulisse, für die die Dschungelbewohner sorgten, umgeben. Keine Strommasten, keine Häuser, keine Straßen, keine Verkehrsgeräusche. Nur der Dschungel und wir!

Unsere Gruppe bestand aus zehn Menschen. Neben uns nahmen eine pensionierte Lehrerin und ihre Tochter aus Texas, ein australisches Paar und vier Freiwillige aus Australien an der Tour teil. Ein Schwede, eine Deutsche und zwei Deutsch-Spanierinnen, die zuvor mit uns im Bus zur Brücke gefahren waren, waren einem anderen Guide zugeteilt worden. Wir waren in einer Lodge am Ufer des Cuyabeno unterbracht: Zwei Holzhäuser mit Einzel- und Doppelzimmern und ein Küchen- und Esszimmerpavillon, jeweils aus Holz und mit Palmblättern gedeckt, machten die gesamte Anlage aus. Zwei Solarpaneele sorgten für die nötige Stromversorgung in der Küche, in den Zimmern mussten Taschenlampen und Kerzen herhalten. Das Wasser kam aus (Regen-)Wassertanks, die Wasserpumpe wurde ebenfalls aus den Solarpaneelen gespeist. Abgesehen von den verwendeten Materialien und der Form der Energiegewinnung wurde hatte ich nicht den Eindruck, dass die Lodge ihrer Bezeichnung gerecht werden könnte: Eco Lodge. Alles, was uns im Laufe unseres Aufenthaltes aufgetischt wurde, war in Quito und Lago Agrio eingekauft und dann mit dem Boot durch den Urwald geschippert worden! Beschweren möchte ich mich aber nicht: So gut hatte ich bis dato noch nicht gegessen in Ecuador!

Am ersten Abend fuhren wir mit unserem Motorkanu, in dem die gesamte Gruppe Platz fand, an die Laguna Grande, um eine Runde zu schwimmen und um den Sonnenuntergang zu betrachten. Das war wunderschön: Ein Sonnenuntergang wie auf einer zu kitschigen Postkarte, dazu die ganzen fremdartigen Geräusche aus den Bäumen, die um die Lagune herum und in der Lagune wachsen!

Am zweiten Tag, dem Freitag, stand ein Spaziergang durch den Dschungel an. Wir bekamen große Bäume und kleine Pilze zu sehen, giftige Frösche und farbenfrohe Insekten. Besonders die »Zitronen-Ameisen« fand ich spannend: Die schmeckten nach Zitrone, sagte Mariana – und schon waren wir alle am Ameisenessen! Abgesehen von der Ameise, die mir in die Zunge biss, hat sich der Snack gelohnt; die Ameisen schmeckten tatsächlich nach Zitrone! Nach etwas mehr als zwei Stunden kamen wir zum Boot zurück, um wieder in die Lodge zu fahren. Der Spaziergang war einerseits interessant gewesen – andererseits fand ich es befremdlich, dass wir mitten im Dschungel auf einem Trampelpfad herumliefen, an dem sich die Heilpflanzen reihten wie an einem Waldlehrpfad. So ganz unberührt und wild war das alles nicht. Aber vermutlich war es auch sehr naiv gewesen, so etwas zu erwarten: Wo es eine Lodge gibt und derart organisierte Reisen, muss eine gewisse Touristeninfrastruktur vorhanden sein...

Nachmittags fuhren wir mit Angeln ausgestattet erneut zur Lagune: Wir angelten Pirañas! Die sind nach Marianas Informationen gar nicht so aggressiv und gefährlich, wie ich es aus Dokumentationen gekannt hatte. Von Killermaschinen, die jeden Schwimmer innerhalb weniger Sekunden komplett verschlingen und in Boote springen, um deren Besatzung zu verspeisen kann also keine Rede sein. (Wir hielten jedoch an dieser Vorstellung fest, um den Nervenkitzel nicht zu verlieren!) Julian, der sich schon lange auf diesen Programmpunkt gefreut hatte – ich glaube fast, er kam nur deshalb nach Ecuador! – war dann auch der erste mit einer Piraña am Haken! Auch der zweite Fang sollte seiner sein, dieses Mal allerdings ein Katzenfisch. Alle Fänge wurden wieder in den Cuyabeno geschmissen: Kleine Pirañas bieten nicht ausreichend Fleisch zum Verzehr, und die großen sind oftmals mit Parasiten verseucht, sodass sich der Genuss des Pirañafleisches heftig auf die Gesundheit des Genießers oder der Genießerin auswirken kann...

Den Sonnenuntergang sahen wir erneut vom Wasser aus: Wir fuhren in einen Seitenarm des Cuyabeno, beobachteten Kormorane und andere Vögel und fuhren dann zu den Stellen, an denen Mariana und unser Fahrer Kaimane vermuteten. Leider sollten wir nicht das Glück haben, Kaimane aus der Nähe betrachten zu können. Das hatte vor allem zwei Gründe: Den hohen Wasserstand des Flusses, der es den Echsen erlaubt, sich tief ins Gestrüpp zurückziehen zu können und den Vollmond, der den Reptilien den Schutz der Dunkelheit nahm und sie so daran hinderte, ihre Verstecke zu verlassen.

Den Samstag nutzten wir, um eine Gemeinde stromabwärts zu besuchen. Wir bekamen gezeigt, wie das Yuccabrot hergestellt wird, eine Art geschmackloser und weißer Pfannkuchen und in Deutschland zurecht unbekannt. Viel aufregender als diese etwas bizarre, weil wie Routine wirkende Vorstellung – wir waren ja nicht die erste Gruppe dort... – war Nacho: Das ist der Affe des Dorfes! Ein Dorfbewohner hatte ihn auf dem Markt in Lago Agrio gekauft, um ihn in die Freiheit zu entlassen, was nicht den Plänen des jungen Affen zu entsprechen scheint: Er bekommt Nahrung im Dorf und viel Aufmerksamkeit von den Touristengruppen, sodass er das Leben bei den Menschen dem in der Wildnis vorzieht. Mittlerweile dürfte es eh unwahrscheinlich sein, dass Nacho noch fähig ist, in freier Wildbahn zu überleben.

Im Anschluss ans Yuccabrotbacken und ans Spielen mit Nacho versuchten Julian, drei der Australianer und ich uns im Fußballspiel bei viel zu hohen Temperaturen gegen die Dorfbewohner und unseren Fahrer. Am Ende siegte die Heimmannschaft mit sieben zu fünf, und wir waren vollkommen erledigt. Doch ein Bad im Fluss, in sich außerdem (bestimmt) Pirañas, Kaimane und Flussdelfine tummelten, konnte uns einigermaßen wiederherstellen.

Der letzte Teil unserer Exkursion führte uns zu einem Schamanen. Der scheint sich vorrangig von Ayahuasca (yahé), einem Trank, der Halluzinationen hervorruft, und guando (Engelstrompete) zu ernähren, um sich mit den Tieren, den Pflanzen, der Erde, dem Himmel und allem Anderen in Verbindung zu setzen und um in der Lage zu sein, die Krankheiten seiner Patientinnen und Patienten zu erkennen. Dass er tatsächlich immer so anzutreffen ist, wie wir in kennenlernten: Mit Federschmuck, roter Schminke im Gesicht und vielen Ketten um den Hals, bezweifle ich. Auch hier vermute ich, dass für die Touristen ein wenig getrickst und gemogelt wird. Verfälschung für die Authentizität, oder so.

Eine wichtige Beschäftigung für den Schamanen stellen die Gruppen dar, die in den Dschungel fahren, um Ayahuasca auszuprobieren. Eine russische Gruppe hatte den weiten Weg nach Ecuador auf sich genommen, um den Schamanen am Cuyabeno zu treffen: Der fertigte den Trank nach der traditionellen Machart an, stellte die Räumlichkeit zu Verfügung, führte eine Zeremonie durch und verabreichte seinen Kundinnen und Kunden den Sud. Für eine solche Prozedur werden pro Person rund siebzig Dollar verlangt – eine beträchtliche Summer, tief im Dschungel, wo es kaum Möglichkeiten gibt, Geld auszugeben! In oder bei Otavalo gibt es jedes Jahr ein Treffen mit drei Schamanen aus drei Ländern und den dementsprechenden Ayahuascasorten. Die Teilnahme ein diesen Treffen kostet rund dreitausend Dollar – wenn man Glück hat, bekommt man angenehme Halluzinationen, mit etwas Pech übergibt man sich die ganze Nacht lang.

Mariana hat uns ein wenig von ihren Erfahrungen berichtet. Ayahuasca sei sehr angenehm, abgesehen vom Erbrechen vor dem Rausch. Das sei jedoch nötig und sorge für die Reinigung des Körpers. (Als Symptome einer Vergiftung des Organismus durch das Rauschgift wollte sie das Erbrechen nicht deuten.) Der Rausch bestehe dann aus verschiedensten Halluzinationen, akustischer und optischer Natur. Jedoch sei man immer in der Lage, zwischen »Vision« und Wirklichkeit zu unterscheiden. Nach wenigen Stunden ende die Wirkung des Ayahuasca, »hängen bleiben« könne man darauf nicht. Anders sei die Engelstrompete: Die rufe sehr starke Halluzinationen hervor, die manch einer den Rest des Lebens nicht mehr loswürde. Außerdem könne der Rausch vierundzwanzig Stunden und mehr anhalten. Das Einnehmen des guando ist Bestandteil der Ausbildung zum Schamanen.

Den Sonntag verbrachten wir damit, im Fluss zu schwimmen und später auch in der Lagune. Regen hatte eingesetzt und zwang uns dazu, den Tag sehr ruhig zu verbringen. Das war uns recht – wir hatten uns an unsere wilde Umgebung gewöhnt und waren weder von Affen noch von Flussdelfinen wirklich zu beeindrucken. Wie schnell das geht!

Am Montagvormittag fuhren wir zur Brücke zurück und von dort nach Lago Agrio. Dort war ein Bus nach Quito zur Abfahrt bereit, und wir erreichten die Hauptstadt gegen zehn Uhr am Abend. Mit den Deutsch-Spanierinnen und mit Águeda und Marco, die in der Zwischenzeit im Dschungel angekommen waren und mit einer anderen Gruppe vier Tage ein ähnliches Programm absolviert hatten, fuhren wir in ein schönes Hostal in der Altstadt, um dann in die Ronda zu gehen, die angeblich älteste Straße Ecuadors: Hier wollten wir auf meinen Geburtstag anstoßen, der am Dienstag auf dem Kalender stand. Das Unterfangen gestaltete sich schwieriger als erwartet, zu dieser Zeit hatte am Montagabend fast keine Bar mehr geöffnet! Nach einem Bier brachen wir bereits den Heimweg an, der Mann hinterm Thresen machte Feierabend.

Am Dienstag verabschiedeten wir Águeda, die inzwischen wieder in Galizien sein müsste. Auch von den anderen Reisenden verabschiedeten wir uns. Wir drehten eine kleine Runde durch die Altstadt, sahen uns die beeindruckende Compañía de Jesús mit ihren Wänden und Decken aus Gold an und fuhren dann in den Norden der Stadt. Von dort fuhren wir im Bus bis nach Cayambe, um von dort nach Tabacundo zu gelangen. In Tabacundo gibt es eine Farm, auf der zahlreiche Freiwillige arbeiten. Was genau deren Aufgabe ist, weiß ich nicht, Fakt ist aber, dass wir mit ihnen gemeinsam meinen Geburtstag feierten. Ich hatte die nötigen Zutaten für Pizza eingekauft, sodass wir den Pizzaofen der Finca einheizen und ein leckeres Abendessen zu uns nehmen konnten! Nach dem etwas tristen Start in der Ronda in Quito fand mein Geburtstag also noch ein sehr nettes und unterhaltsames Ende...

Mittwochs fuhren Julian und ich nach Otavalo und von dort nach Pucará. Dort wartete, ich habe es bereits erwähnt, schrecklichstes Herbstwetter auf uns: Nebel und Regen und Kälte! Es liegen nur noch wenige gemeinsame Tage in Ecuador vor uns, am Samstag reist Julian nach Nicaragua weiter. Aber wir werden das beste aus der verbleibenden Zeit machen!

2 comentarios:

  1. Oi Simon!
    "Papá se volvió loco" scheint das Standard-Programm ecuadorianischer Busse zu sein... ich habe den Film schon gefühlt 10 Mal und in echt bestimmt wirklich 3 Mal gesehen und das Problem mit ihm ist leider: er ist schon am Anfang schlecht und wird auch mit mehrmaligen Schauen nicht besser...
    Vor allem scheint sich dieser Trend auch zu halten: das erste Mal habe ich ihn gesehen als ich 2007 als Freiwillige da war, und letztes Jahr als ich nochmal zu Besuch war, kam der wieder auf der Fahrt von Quito nach Otavalo. Scheint irgendwie zeitlos zu sein, der Film. Leider.
    Liebe Grüße en el rincón más bello y más verde del Ecuador,
    Viola

    ResponderEliminar
  2. Oye Simon,

    quiero un poco klugscheissen. Hablando de la primera noche en la selva escribes "sonnenaufgang". Lo siento amor, deberia ser "sonnenuntergang"!!

    Ayer llegue bien en Ocotal, pronto te escribo mas y voy a subir las fotos!

    Hasta Loco
    Julio

    P.S. un cd de cumbia

    ResponderEliminar