domingo, 13 de marzo de 2011

Schinken

DER BEISSENDE GERUCH verbrannten Plastiks hängt noch in der Luft: Soeben hat Doña Empera, meine erste Gastmutter hier in Íntag, ihren Plastikmüll verbrannt und somit in ihren Augen unschädlich gemacht. Die Müllverbrennung sei umweltfreundlicher und also gesünder als das noch weiter verbreitete Wegschmeißen von Müll auf Felder, in Bächen und in den Wald.

Carolina und Marcelo haben jetzt vier Fahrzeuge. Carolina ist die Chefin des Periódico ÍNTAG und für ecuadorianische Verhältnisse eine radikale Umweltschützerin. Mit Marcelo, ihrem Mann, und ihren beiden Söhnen Juan Esteban und José Andrés lebt sie in Pucará - und fährt fast täglich mit ihrem Pick-Up nach Apuela. Ich selbst lege diese Distanz fast immer zu Fuß zurück, kann Carolina ihre hinsichtlich des Transports widersprüchliche Einstellung zum Umweltschutz aber nicht vorwerfen: Immerhin nimmt sie José Andrés, der noch kein Jahr alt ist, immer mit. Dass dieser Haushalt jetzt aber über zwei Jeeps und zwei Quads verfügt, stößt an die Grenzen meines Verständnisses.

Ja - wir wollen Íntag schützen. Wir wollen verhindern, dass Bergbauunternehmen unsere Flüße verschmutzen und unsere Wälder abholzen. (Aber wir entsorgen unseren Müll am liebsten sofort, schmeißen ihn in die Natur. Und Brandrodung finden wir auch nicht so verkehrt.) - Widersprüchliches aus Íntag, alles wie gehabt!

Aber es gibt auch Neues:
Das erste Mal seit meinem Aufenthalt in Ecuador hatte ich richtig viel zu tun! Ende Februar galt es, die aktuelle Ausgabe der Zeitung druckfertig zu machen. Das hieß im Klartext: Korrekturlesen. Das war nicht sonderlich interessant, aber immerhin war ich beschäftigt. Dazu durften Nora und ich eine Reportage schreiben über die aktuellen Geschehnisse in Nordafrika und im Nahen Osten.

Seit Anfang März ist wieder Ruhe eingekehrt: Die Zeitung wurde gedruckt und jetzt wird vermutlich anderthalb Monate ausgeruht, bevor man bemerkt, dass es Zeit für die nächste Ausgabe ist und in Panik ausbricht, um dann im Stress zu versinken... Ich habe die Ruhe genutzt, um Flyer für Peters Projekt zu drucken und um meine Gastfamilia nach García Moreno zu begleiten. Dort lebt Doña Delia mit Smith und dessen Vater Oswaldo, wenn sie sich nicht gerade um Freiwillige in Pucará kümmern muss.

Polly und ich fuhren also mit Doña Delia, meiner aktuellsten Gastmutter, und dem kleinen Smith ein ganzes Stück weiter in die Íntag-Region hinein. Die Fahrt war etwas abenteuerlich, weil die Regenfälle während der letzten Wochen regelmäßig dazu führen, dass Erdrutsche die Straße verwüsten: Achterbahnfahrt im Omnibus!

Das Haus, in dem Doña Delia, Smith und Oswaldo leben, liegt etwas außerhalb von García Moreno, auf einem kleinen Hügel an der Sandstraße nach Magdalenas. Wobei die Bezeichnung in Deutschland nicht verwandt würde: Die Behausung besteht aus einer ziemlich löchrigen Bambuskostruktion, partiell mit Plastikplane überzogen und mit einem Blechdach abgedeckt. Der Boden besteht aus Erde. Trotz des vermeintlichen Elends war natürlich Platz für einen Kühlschrank, einen Fernseher und einen DVD-Player.

Am Abend hatte ich dann wieder so ein Íntag-Erlebnis: Auf dem Weg ins Dorf sahen wir ein totes Kalb und eine verblutende Kuh. Später erfuhren wir, dass die Kuh kalben sollte, das Kalb jedoch ungünstig lag und zunächst nur die Vorderläufe des Nachwuchses aus dem Mutterleib ragten. Statt das Kalb irgendwie manuell zu drehen, entschied man sich dazu, es mithilfe eines Autos (!) zur Welt zu bringen. Es kam, wie es kommen musste: Dem Kalb wurde das Genick gebrochen, der Mutter die Organe aus dem Körper gerissen. Das arme Tier lag daraufhin noch Stunden am Wegrand; man wollte es nicht umbringen, sondern zum Metzger bringen und dort fachgerecht töten lassen. Dass die Kuh an Schmerzen litt, fiel nicht weiter ins Gewicht.

Der Anblick der beiden Tiere war schon verstörend. Doch nichts konnte mit dem Handeln der Bauern mithalten: Wie kann es sein, dass eine Person, die vermutlich seit Jahren, wenn nicht Generationen mit und von der Landwirtschaft lebt, auf diese Art und Weise mit ihrem teuersten Gut, dem Vieh, umgeht? Warum habe ich so oft den Eindruck, dass viele Menschen hier resistent sind gegen das Lernen aus Erfahrungen? Es ist traurig, dass die Schulbildung hier erstens schlecht ist und zweitens von vielen nicht wahrgenommen wurde und wird. Doch richtig tragisch finde ich es, wenn selbst praktische Erfahrungen außerhalb staatlicher Bildungeinrichtungen keinerlei Früchte tragen, also keine Einsichten mit sich bringen: Das hätte wohl dazu geführt, dass man die Kuh anders behandelt hätte!

Am nächsten Morgen durfte dann auch ich ran: Des Suppenhuhns für das Mittagessen sollte ich mich annehmen. Im Rahmen zahlloser Ferien auf dem Bauernhof während meiner Kindheit hatte ich mitbekommen, wie man Hühner schlachten kann. Dass man ihnen einfach den Hals langzieht, wusste ich aber noch nicht. Wie dem auch sei - diesen Bräuchen hat man sich anzupassen... Das Huhn hat nicht sonderlich gut geschmeckt - aber jetzt kann ich guten Gewissens Fleisch essen, in der Gewissheit, mein Mittagessen selbst erlegen zu können...

Nach dem Hühnchenerlebnis erntete ich mit Oswaldo und Smith guabas, was an sich nicht spektakulär war. Aufregend wurde es erst später: Ich bekam plötzlich einen rätselhaften Husten und, etwas später, einen beachtliche Hautausschlag. Husten und Ausschlag klangen im Laufe des Tages ab, hinterließen aber einen kleinen Schrecken: Worauf die Allergieattacke zurückzuführen ist, weiß ich nicht - vermutlich bin ich auf der Sucha nach guabas durch bösartige Gräser und Büsche gekrochen.

Zurück in Pucará, zog ich bei Doña Delia aus und bei Polly, die noch eine Woche in Íntag sein wird, ein. Außerdem kam Peter mal wieder nach Pucará, und ich habe voraussichtlich genügend Arbeit für die nächsten Wochen. Unter anderem eine kleine architektonische Aufgabe, auf die ich mich freue, an der ich aber auch sehr zweifle. Bald werde ich darüber mehr berichten.

Schreiben werde ich auch über die aktuellsten Neuigkeiten aus der Zeitung, die von den Regenfällen betroffen ist: Eine Mauer hinter dem Gebäude hielt dem Wasser im Erdreich nicht mehr Stand und brach zusammen. Das Bauwerk, das einst viertausendfünfhundert Dollar gekostet hat, ist nun nur noch Schutt und muss weggeräumt werden. Eine neue Mauer wird vorerst nicht errichtet werden, denn niemand hat die Absicht, eine Mauer zu bauen. Und das nötige Kleingeld ist nicht vorhanden. Finanziell geht die Zeitung momentan auf dem Zahnfleisch: Die Löhne können kaum noch gezahlt werden. Sobald ich weiß, wie ihr uns finanziell unterstützen könnt, sprich: an wen und wohin ihr eure willkommenen Spenden senden könnt, schreibe ich das hier.

Bis dahin wünsche ich uns allen bessere Nachrichten aus der Welt. Ist ja nicht auszuhalten, was momentan passiert...

2 comentarios:

  1. ...raffiniert, raffiniert - das Wort "Korrekturlesen" falsch zu schreiben, war mit Sicherheit Absicht :p Auf den Rest werde ich nach meiner letzten Klausur, Ende der Woche, per Mail eingehen.
    Gruß!

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  2. Hallo meine 2 lieben Neffen! Naja, um genau zu sein schreibt man es "Koregduurlesn"...okay, Quatsch beiseite....Hach, da möchte man sich mal kurzfristig ablenken von dem Horror auf der Welt und dann liest man hier auch nicht so schrecklich viel Erheiterndes....Wo wird das noch enden?....Sag mal, lieber Simi, willst nicht lieber mal Journalist werden? würde Dir schon liegen...Aber nichtsdestotrotz: irgendwie reichts jetzt scho langsam, dass Du immer so weit weg bist!!!Jetzt komm halt a mal wieder zurück. Wenn mans so betrachtet, gehts uns hier doch echt schon noch recht gut! Que te vaya bien, un abrazo y besito, Deine Tia Moni

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